Lebensrettung auf dem Strommast – E.on nimmt in Erfurt Höhenrettungsanlage in Betrieb

Es ist der Alptraum eines jeden
Fallschirmspringers: Roman Schadts Fallschirm hat sich in einem Hochspannungsmast verfangen.

Hilflos hängt der Mann in etwa 24 Meter Höhe. Für die Retter ist Eile geboten. Windböen zerren am Schirm, eine gewaltige Wolkenwand hat sich aufgebaut. Nach zehn Minuten ist Schadt in Sicherheit. Andreas Lemitz hat ihn aus seiner misslichen Lage gerettet. Kaum sind beide wieder am Boden, geht ein Platzregen nieder. Zum Glück ging alles glimpflich aus – auch wenn es an diesem Freitag in Erfurt nur eine Übung war.

«Immer wieder verunglücken Netzmonteure bei der Arbeit, deshalb ist das Training unter realistischen Bedingungen unerlässlich», sagt Martin Schreiber vom Versorger E.on Thüringer Energie AG. Auch der sichere Auf- und Abstieg auf Hochspannungsmasten und das Anseilen müssen regelmäßig geübt werden. Eigens für diesen Zweck hat E.on auf dem Ausbildungsgelände im Norden der thüringischen Landeshauptstadt eine Trainingsanlage mit zwei 35 Meter hohen Masten eingerichtet.
Bis zu 96 Meter kann die Höhe eines Hochspannungsmasts betragen.

Auf Anlage sollen auch Polizei und Feuerwehr trainieren

In den kommenden Monaten werden zunächst die rund 150 Netzmonteure von E.on Thüringen hier Trainingseinheiten absolvieren.
Dadurch sollen sie in der Lage sein, im Notfall Kollegen zu retten.
Danach stehe die Anlage auch für die Mitarbeiter anderer Netzbetreiber für Schulungen offen, sagt Schreiber. Auch Spezialeinsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr sollen auf der Anlage üben.

Mit der Übung ist Höhenkletterer Lemitz zufrieden: «Es ist sehr gut gelaufen, vor allem lagen wir sehr gut in der Zeit.» Dennoch sei er froh, dass die Übungseinheit rechtzeitig vor dem Platzregen beendet wurde. «Der Regen an sich ist eigentlich kein Problem», sagt er. Doch bei Gewitter oder bei Windböen über Stärke sechs werde die Arbeit auch für die Retter lebensgefährlich. «Dann hätte auch aus unserer Simulation schnell ein Ernstfall werden können.»

Seit acht Jahren ist Lemitz Höhenkletterer, zu seiner täglichen Arbeit gehöre alles, was außerhalb der Reichweite von Kränen und Hebebühnen liege, sagt er. Vom Fensterputzen im zehnten Stock bis zu Brückenarbeiten reicht sein Einsatzgebiet. Die Firma, bei der Lemitz angestellt ist, wird E.on künftig bei der Ausbildung als Kooperationspartner zur Seite stehen.

Anlage ist bislang einmalig in Deutschland

«Verunglückte musste ich zum Glück noch nie retten», sagt er. Die Ausbildung für den Ernstfall gehöre aber definitiv zu den wichtigsten Qualifikationen eines Kletterers. Zumal die meisten Masten auf abgelegenen Feldern und in Wäldern stünden, wo keine schnelle Hilfe von außen zu erwarten ist. «Die Rettung der Kollegen kommt vor der Arbeit», sagt Lemitz.

180.000 Euro hat die Anlage gekostet, sie ist die erste ihrer Art in Deutschland. E.on-Mitarbeiter Schreiber ist sich sicher, dass es gut angelegtes Geld ist. Denn bislang konnten die Höhenarbeiter allenfalls an im Bau befindlichen Masten üben, auf denen noch kein Strom fließt. «Unter dem immensen Zeitdruck eine wenig zufriedenstellende Lösung», sagt er. Zudem habe es bislang keine einheitliche Ausbildung der Kletterer gegeben.

«Die größte Schwierigkeit ist es sicherlich, im Ernstfall ruhig zu bleiben», lautet Roman Schadts Fazit des Einsatzes. Eigentlich ist er ebenfalls als Ausbilder tätig. An diesem Tag aber musste er die Rolle der «Hilope» übernehmen – der «hilflosen Person», wie die Verunglückten im Fachjargon heißen. «Wir sind bei den Übungen natürlich immer gut gesichert, im Ernstfall ist das schon eine überaus mulmige Situation. Aber es gibt Sicherheit, falls doch mal etwas schief geht.»