Schornsteine fegen mit lackierten Fingernägeln

Die schicken langen Fingernägel von Constanze Werner fallen sofort auf.

Blickt man auf die Hände der 21-Jährigen, scheinen ihre hellen Nägel regelrecht zu leuchten. Denn ihre Finger, mit denen sie den Holm einer Leiter umgreift, sind rußschwarz. Die junge Frau ist angehende Schornsteinfegerin, die einzige weibliche Auszubildende der Innungsbetriebe in Mecklenburg-Vorpommern.

Routiniert stellt Werner die Leiter an die Wand eines Hauses im kleinen Dörfchen Banzin im Landkreis Ludwigslust-Parchim. Ihr Chef Klaus-Peter Stoecker sichert sie. Dann klettert die junge Frau die Sprossen zum Dach hinauf. Ihr Ziel: der Schlot. Werner demonstriert, wie man ihn reinigt. Ein typischer Fehler, den viele beim Heizen mit Holz machten, erklärt sie, sei, dass sie nasses Brennmaterial verfeuerten. Die Gefahr ist, dass sich Glanzruß bildet und der Schornstein dann dicht ist.

Stoecker wartet unten und beobachtet, wie sich sein Schützling auf dem Dach macht. Für die beiden ist das Alltag, Werner ist bereits im dritten Lehrjahr. Sie wird auch von mir übernommen, das heißt: Ab dem 1. August ist sie dann Gesellin bei mir, sagt ihr Chef.

19 Jungs und ein Mädchen

Von 20 Auszubildenden sind der Innung zufolge 19 Jungen. Überhaupt ist der Schornsteinfegerberuf als technisches Handwerk männlich dominiert. Im Nordosten gibt es der Schweriner Handwerkskammer zufolge eine einzige Schornsteinfegermeisterin. Bundesweit liege der Frauenanteil in diesem Beruf bei etwa elf Prozent, gibt der Zentralverband Deutscher Schornsteinfeger (ZDS) an.

Dass in Banzin eine junge Frau auf dem Dach steht und sich am Schornstein zu schaffen macht, scheint dort nicht mehr zu verwundern. Wohl aber, dass deshalb extra die Presse gekommen ist, um Fotos zu schießen. Schon nach kurzer Zeit kommt ein Nachbar an den Zaun und ruft neugierig: Was ist denn hier für ein Anlass? Schornsteinfegermeister Stoecker deutet nur grinsend auf seine Auszubildende.

Am Anfang haben die Kunden schon komisch geguckt, wenn sie die Tür aufgemacht haben, und dann stand ich davor, erzählt Werner wenig später bei einer Tasse Kaffee und Keksen auf der Terrasse ihres Chefs. Aber inzwischen hätten sich alle daran gewöhnt.

Ihr Ausbilder weiß, dass er mit einem weiblichen Lehrling einen noch ungewöhnlichen Weg beschreitet. Abschrecken konnte ihn das nicht: Ich habe keine Angst davor, ein Mädchen auszubilden, sagt Stoecker gelassen. Wenn eine Frau diesen Ausbildungsberuf ergreife, tue sie das nicht, weil sie nichts anderes gefunden habe. Dann ist echtes Interesse da.

Mädchen scheuen sich noch vor den technischen Handwerksberufen

Doch von diesen Mädchen gibt es bislang noch wenige. Die Betriebe der Schornsteinfegerinnung erhielten kaum Bewerbungen von Interessentinnen, sagt Landesberufsbildungswart Henning Grot. Es ist teilweise auch körperlich schwere Arbeit, sagt er. Das schrecke ab. Dabei könnte die Innung Nachwuchs gut gebrauchen: Mit ihren aktuell 20 Auszubildenden könne sie nur etwa zwei Drittel ihres Bedarfs an Fachkräften decken. Aber auch für die Meister gebe es noch Hürden, die sie davon abhielten, Frauen einzustellen, räumt Grot ein. Ein Grund sei, dass sie dann etwa getrennte Umkleideräume einrichten müssten. Für Kleinbetriebe sei das nicht immer einfach.

Lisanne Straka vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Mecklenburg-Vorpommern hält solche Argumente für Ausreden. Das ist alles machbar, wenn man willens ist, Mädchen zu gewinnen, sagt sie. Dass Bewerberinnen fehlen, bestätigt aber auch Straka. Viel zu viele Mädchen legten sich immer noch auf sehr wenige, typisch weibliche Berufe wie etwa Friseurin oder Verkäuferin fest. Eltern, Lehrer und Berufsberater müssten die Mädchen deshalb stärker unterstützen, auch mal in andere Berufe hinein zu schnuppern.

Der Nachwuchs-Schornsteinfegerin Constanze Werner fällt noch ein anderer Grund ein, warum manche Mädchen sich gegen vermeintliche Männerberufe entscheiden: Vorurteile. Es gibt ja schon Männer, die sagen: ‘Du hast hier nichts zu suchen. Du kannst das eh nicht’ , sagt sie. Sie selbst habe aber bislang gute Erfahrungen gemacht. Kunden, Familie, Freunde – alle hätten ihre Berufswahl positiv aufgenommen.

Immerhin: In der Berufsschule sei sie nicht die einzige Frau, da dort angehende Schornsteinfeger aus mehreren Bundesländern zusammen kämen. Aber auch wenn ich das einzige Mädchen gewesen wäre, hätte das alles gut geklappt, denke ich, sagt sie und lacht. Die waren alle nett und sind ganz normal mit mir umgegangen.