Alles zu seiner Zeit: Aufschieberitis bekämpfen

Berlin (dpa/tmn) – Das Dokument auf dem Laptop füllt sich einfach nicht von selbst. Eigentlich sollten dort, wo noch gähnende Leere herrscht, in ein paar Wochen knapp 50 Seiten Bachelorarbeit stehen. Aber anfangen? Da gibt es ja noch so viele andere Dinge zu tun.

Geschirr spülen, Fernsehen, und die fiktiven Löcher wollen auch noch in die Luft gestarrt werden. Dieses Grauen hat einen Namen: Prokrastination oder Aufschieberitis. Dagegen kämpfen ist meist zwecklos.

Das meint zumindest Kathrin Passig, die Autorin eines Buches mit dem vielversprechenden Titel: «Dinge geregelt kriegen ohne einen Funken Selbstdisziplin». Denn zwingen könne sich der disziplinlose Student ohnehin nicht. «Der zeitliche Druck muss da sein, sonst fangen die meisten Studenten nicht an.» In der Phase der Torschlusspanik einzusteigen, sei nicht einmal schlimm. «Man fängt so oder so zu spät an. Ein schlechtes Gewissen quält nur.»

Die Arbeit auf den letzten Drücker produziere jedoch eine Menge negativen Stress, den man durchaus vermeiden kann, meint Persönlichkeitscoach Monika Birkner in Frankfurt/Main. «Wer zügig seine Aufgaben erledigt, umgeht die Angst vor dem großen Berg an Arbeit, der sich aufstaut.» Bei einer Abschlussarbeit an der Universität ist das gar nicht so einfach, zumal sich der Bücher- und Papierberg direkt am ersten Tag in ungeahnte Höhen stapelt.

In diesem Fall sei es wichtig, sich einen detaillierten Plan zu erstellen. «Wie viel Umfang soll die Arbeit haben? Wie lange brauche ich dafür? Die ungeliebte Pflicht kann man in kleine Portionen aufteilen, jeden Tag ein bisschen», sagt Birkner. Doch das heißt gleichzeitig, sich jeden Tag aufs Neue zu motivieren. «Da hilft es zum Beispiel, Routine ins Arbeitsverhalten zu bringen: Jeden Tag von 8.00 bis 12.00 Uhr setzt man sich ran.» 

Wenn das ständige Aufschieben jedoch dazu führt, dass die eigenen Ziele überhaupt nicht mehr erreicht werden können, steckt oft mehr dahinter als mangelnde Selbstdisziplin. «Das kann ganz unterschiedliche Ursachen haben», sagt Wenzel Peters von der allgemeinen Studienberatung der Universität Marburg. «Einige Studenten wissen beispielsweise nicht, wie Zeitmanagement funktioniert. Oder sie haben nie gelernt zu lernen.»

Fälle, die eine längerfristige psychologische Behandlung erfordern, seien jedoch selten. «In manchen Situationen ist jeder anfällig für das Aufschieben. Aber Disziplin kann man lernen», sagt Monika Birkner. Eine Viertelstunde ungeliebte Arbeit verrichten, kann schon ausreichen. «Ist der Anfang erst einmal gemacht, geht alles viel leichter. Und mit ein wenig Routine kommt die Gewohnheit.»

Falsch wäre es, sich jegliche Freizeitaktivität zu verbieten. Kathrin Passig glaubt, dass sich der Prokrastinationsdrang ohnehin immer irgendwie durchsetzen wird, solange der äußere Druck fehlt: «Sich in einem Ferienhaus ohne Internet zu zwingen, nur noch an die Arbeit zu denken, bringt nichts. Irgendeine stupide Beschäftigung fällt einem immer ein.»

Andererseits kann Prokrastination auch produktiv sein. Der Mensch suche sich immer neue Beschäftigungen, um der unliebsamen Pflicht zu entkommen. So kann der Haushalt plötzlich ganz leicht von der Hand gehen. Den Effekt können Studenten laut Passig nutzen: «Die Bachelorarbeit wird zu einer erträglichen Pflicht, wenn der Student eine noch unangenehmere Aufgabe findet. Dann ist die Studienarbeit nicht mehr die größte Qual.»

Literatur: Kathrin Passig, Sascha Lobo: Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin, Rowohlt, ISBN: 978-3-8713-4619-4, 19,90 Euro; Otto Kruse: Keine Angst vor dem leeren Blatt. Ohne Schreibblockaden durchs Studium, Campus, ISBN: 978-3-5933-8479-5, 16,90 Euro; Hans-Werner Rückert: Schluss mit dem ewigen Aufschieben. Wie Sie umsetzen, was Sie sich vornehmen, Campus, ISBN: 978-3-5933-8144-2, 17,90 Euro.