Ausbildungscamp für bessere Berufschancen

Parchim (dpa) – Schwungvoll führen Marcus und Andreas die Hobel über die eingespannten Bretter und schälen gleichmäßige Spanlocken vom Holz. «Klar kann ich mir das mal als meinen Beruf vorstellen», sagt der 13-jährige Marcus.

Handwerkliche Arbeit, das bekennt er freimütig, liegt ihm mehr als Diktat oder Kettenaufgaben in Mathematik. Zwei Häuser weiter stehen Meike und Lisa in der Küche und schneiden grünen Paprika in Streifen. «Etwas langweilig ist das schon», räumt Lisa ein, aber auch als Konditorin muss sie später länger am Tisch stehen. Vorausgesetzt, es klappt mit ihrem Berufswunsch und die 14-Jährige begeistert sich nicht noch für eine andere Ausbildung.

Berufliche Orientierung ist eines der wesentlichen Ziele im Sommercamp des Jugendfördervereins Parchim/Lübz. 32 Teilnehmer zählt der erste von zwei jeweils dreiwöchigen Kursen in der Jugend-Begegnungsstätte unweit von Parchim. Es ist das einzige Camp dieser Art im Nordosten. Viele der Jugendlichen kommen aus Förderschulen Westmecklenburgs. «Die Schüler sollen sich in verschiedenen Berufen erproben. Wir bieten ihnen aber auch Möglichkeiten, sich emotional und sozial weiter zu entwickeln, Selbstbewusstsein zu tanken», erklärt der Geschäftsführer des Jugendvereins, Jan Buchholz. Eine ganze Reihe von Jugendlichen, die heute die Schule verlassen, hätten ihre Eltern nie arbeiten sehen. «Da ist kein Bezug zu einem normalen Acht-Stunden-Arbeitstag da.»

Doch scheinen die Aussichten der jungen Generation auf Arbeit besser als die ihrer Eltern. «Wir haben lange Zeit vom demografischen Wandel gesprochen. Jetzt sind wir mittendrin», sagt Wirtschaftsminister Jürgen Seidel (CDU) und nennt Zahlen. Während 1996 in Mecklenburg-Vorpommern noch gut 30 000 Schulabgänger Lehrstellen oder Studienplätze suchten, sind es in diesem Sommer nur noch 13 000. In manchen Branchen wie dem Tourismus würden Unternehmer schone keine Bewerber mehr finden. «Wir können nicht einen zurücklassen und müssen Wege finden, auch jungen Leuten, deren Lernergebnisse nicht so gut sind, den Weg ins Berufsleben zu ebnen«, betont Seidel. Das Sommercamp, das Land, Arbeitsagentur und Wirtschaftsverbände gemeinsam finanzieren, sei dabei ein vielversprechendes Modell. Dafür stehen in diesem Jahr rund 90 000 Euro zur Verfügung.

Der Chef der Arbeitsagentur in Schwerin, Helmut Westkamp, sieht das Camp auch als eine Art Präventionsmaßnahme, um jungen Leuten mit Lernbenachteiligungen oder mangelnder Motivation den Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen. «Jeder zweite arbeitslose Jugendliche hat keine abgeschlossene Ausbildung und ist damit oft auf dem Weg in eine 30-jährige Karriere als Hilfeempfänger in der ARGE. Wir müssen möglichst früh ansetzen, um das zu verhindern», betont Westkamp. Die Chancen dafür seien angesichts des absehbaren Bewerbermangels besser denn je. «Noch vor wenigen Jahren konnten sich Unternehmer aus 30 und mehr Schulabgängern ihren Lehrling aussuchen. Heute ist das rechnerische Verhältnis 1:1. Und bald schon haben wir mehr Ausbildungsstellen im Angebot als Bewerber.»

Lehrausbilder Jörg Behncke blickt in der Holzwerkstatt anerkennend auf die Arbeit seiner Schützlinge. «Sie sind voll bei der Sache und es macht mir genau so viel Spaß wie ihnen«, bekennt er. Die Klagen über Unhöflichkeit und Null-Bock bei der «Jugend von heute» kann er nicht teilen. «Man muss ihnen nur eine Chance geben, ihre Fähigkeiten auch zu entwickeln. Dann machen sie auch mit.»