Außer bei Loriot – Ist der Doktortitel wichtig?

Berlin (dpa) – Die Kanzlerin legt normalerweise keinen großen Wert auf ihren Doktortitel. Loriots nackte Comic-Männchen wahren hingegen sogar in der Badewanne die Etikette.

«Herr Doktor Klöbner!», wehrt sich Herr Müller-Lüdenscheid beim Streit um die Ente, einer Persiflage auf bürgerliche Gepflogenheiten. Wie wichtig ist der Doktorgrad in Deutschland? Ziemlich, so scheint es der Skandal um möglicherweise gekaufte Titel zu zeigen, in dem die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt.

In der Wissenschaft, besonders in der Medizin und der Chemie, bedeutet eine Promotion oft nicht nur Prestige, sondern auch berufliches Fortkommen. Der erste Doktor (von lateinisch «docere» – «lehren») einer deutschen Universität wurde 1359 an einen Theologen verliehen. Heutzutage werden jedes Jahr nach Schätzungen um die 25 000 Promotionen vorgelegt. Der «Dr.» steht im Pass und schindet bei manchen Eindruck.

«Keiner weiß so genau, wann es angefangen hat, aber die Deutschen leiden an einer Doktortitel-Manie», schrieb der britische Kolumnist Roger Boyes in einer Glosse. Nicht nur er fand Geschmack am Thema: Das Buch «Dünnbrettbohrer in Bonn» über die Dissertationen von Politikern war früher in Wohngemeinschaften Klo-Lektüre, neben dem Satireblatt «Titanic». Auch in der Warenwelt ist der Doktor zu finden, von «Dr. Oetker» über «Dr. Hauschka» bis «Dr. Best», der Tomaten mit der Zahnbürste traktierte. Solche Namen vermitteln Seriosität. Irreführend dürfen die Titel nicht verwendet werden.

Bekannte Akademiker gibt es einige, von den Klitschko-Brüdern bis Altkanzler Helmut Kohl. Kohl hat neben einem wissenschaftlichen Titel weit mehr als 20 Ehrendoktorhüte. Angela Merkel könnte bei Staatsempfängen über Chemie plaudern, wobei sich ihre Dissertation von 1986 nicht für Small Talk anbietet. Das Thema: «Die Untersuchung des Mechanismus von Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch und Berechnung ihrer Geschwindigkeitskonstanten auf der Grundlage quantenchemischer und statistischer Methoden». Angesprochen wird Merkel üblicherweise mit «Frau Bundeskanzlerin». Der Doktortitel kommt vor ihren Namen, wenn es eine Rolle spielt oder es das Protokoll erfordert.

Ist die korrekte Dr.-Anrede überhaupt noch wichtig auf dem Gesellschaftsparkett? «Kommt darauf an, auf welchem Parkett Sie sind», sagt die Freiburger Kommunikationstrainerin Elisabeth Bonneau. Ein Muss war der «Herr Doktor» demnach noch nie, weil der akademische Grad nicht Teil des Namens ist und man sich auch – wie bei Adelstiteln – nicht damit vorstellt.

Für Bonneau ist die Anrede jedoch ein Akt der Wertschätzung, des Respekts und der Höflichkeit. Früher war es üblich, dass selbst die Gattin eines Arztes mit «Frau Doktor» angesprochen wurde. Heute ist das eine Seltenheit geworden, bei der die Expertin ein Auge zudrückt. Den «Dr.» zu nutzen, um im Restaurant einen Tisch zu reservieren, ist für sie indes «kein Akt der Bescheidenheit».

Bei der Internetpartnervermittlung Elitepartner.de ist es zwar nicht möglich, gezielt nach einem/einer «Dr.» zu suchen. Der akademische Grad wird aber beachtet. «Für viele ist das Sozialprestige wichtig», sagt Psychologin Lisa Fischbach. Der Titel vermittelt also in bestimmten Kreisen immer noch einen gewissen Status. Noch mehr als für Deutschland gilt das für Österreich – das Land, in dem es Anreden wie «Herr Oberhofrat» und «Frau Magister» gibt.