Nürnberg (dpa) – Manche verstecken sie in Federmäppchen, andere verbargen sie unter dem Rock, selbst der frühere Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte in seiner Schulzeit nicht auf den Spickzettel verzichtet.
Einen Überblick über den Einsatz von Spickzetteln bei Prüfungen vermittelt bis zum 31. Oktober eine Ausstellung im Nürnberger Schulmuseum. Bei der Schau könnten Besucher mehr als 1000 Spickzettel aus 100 Jahren Schulgeschichte bestaunen, betonten die Veranstalter.
Zu sehen ist unter anderem eine entkernte Armbunduhr mit einer integrierten Spule, auf der ein cleverer Schüler im Jahr 1956 einen dicht mit Chemieformeln beschriebenen Papierstreifen aufgerollt hatte. Während der Chemieprüfung brauchte er bei der Suche nach der passenden Lösung nur an seinem Uhrrädchen zu drehen. Ein anderer Schüler hat sich mit einem präparierten Limonaden-Etikett für eine Prüfung über US-Geschichte gerüstet.
Nur wenige Spickzettel waren allerdings technisch so ausgefeilt, wie jene legendäre High-Tech-Brille, die ein Abiturient im Jahre 1996 für seine Abschlussprüfung nutzte. Er hatte daran eine Mini-Kamera angesteckt, die die Prüfungsfragen aufnahm und drahtlos an Freunde außerhalb des Prüfungsraum übertrug. Die lieferten wiederum die Lösung drahtlos an den unauffälligen Kopfhörer des Prüflings. Das Ganze war jedoch aufgeflogen, nachdem der VW-Bus seiner Komplizen vor dem Schulgebäude zu sehr aufgefallen war.
Highlights der Ausstellung sind neben dem Abitur-Spicker des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer auch der legendäre Spickzettel von Jens Lehmann. Diesen zog der deutsche Nationaltorhüter im Viertelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2006 aus dem Schienbeinschoner, um sich die Schusstechniken der argentinischen Spieler kurzzeitig vor dem spielentscheidenden Elfmeterschießen ins Gedächtnis zu rufen.
Die «Spicker» stammen zum überwiegenden Teil von einer Schülerin aus Baden-Württemberg sowie dem ehemaligen Nürnberger Gymnasial- und Realschullehrer Günter Hessenauer, der über 40 Jahre Spicker, Kritzeleien, Karikaturen und Liebesbriefchen gesammelt hatte. Aber auch Spickzettel aus dem Ausland sind zu sehen. Die Ausstellung bietet damit ein weitaus größeres Spektrum als eine frühere Ausstellung im Schulmuseum zu dem Thema im Jahr 2007.
«Wir sehen die Ausstellung nicht nur aus rein moralischen und spaßorientierten Gesichtspunkten, sondern auch als wichtigen wissenschaftlichen und historischen Beleg», sagte Mathias Rösch, der Leiter des Nürnberger Schulmuseums, bei der Eröffnung am Donnerstag. Das Phänomen des Spickens anhand von Hilfsmitteln sei ein bislang kaum erforschtes Arbeitsfeld. Die Ausstellung biete Forschungsergebnisse zu Motiven, Methoden und Verbreitung von Spickzetteln.
An Arbeitsstationen können Besucher selbst aktiv werden, Spickzettel schreiben und in auf einem Muster-Schreibtisch möglichst geschickt verstecken. «Natürlich wollen wir nicht fürs Spicken werben und Schülern neue Techniken beibringen, sondern einfach nur zeigen: so ist es und das sind die Hintergründe», sagte Rösch.
Die zu erwartende Kritik von Lehrer- und Pädagogenseite sei dabei jedoch bisher ausgeblieben. Es seien vielmehr Privatpersonen, die Befürchtungen äußerten, dass sich Schüler im Rahmen der Ausstellung Ideen für noch gewieftere Spickmethoden holen könnten. Diese Sorge haben die Veranstalter anscheinend nicht: Schließlich werden im Rahmen der Ausstellung sogar Workshops für Schüler und Lehrer angeboten, in denen sie besonders erfolgreichen Lernmethoden erfahren können.