Experte: Gemeinsames Studium für Lehrer und Erzieher

Hannover (dpa) – Wenn die Bildungsexperten in diesen Tagen auf der Fachmesse «didacta» in Hannover über die Defizite im deutschen System sprechen, landen sie zwangsläufig bei der frühkindlichen Bildung.

Unermüdlich weist der auch von der Politik geschätzte Fachmann Wassilios Fthenakis vor allem im Kindergartenbereich auf die Unterlegenheit deutscher Erziehungsqualität im europäischen Vergleich hin. Der Präsident des Bildungswirtschaftsverbandes Didacta will deshalb ein Universitäts-Studium in der Erzieherausbildung zur Pflicht machen: «Das haben alle anderen Länder, die mit uns konkurrieren, schon längst eingeführt.»

Beim «didacta»-Aktionstag zur frühkindlichen Bildung an diesem Samstag wird der Erziehungswissenschaftsprofessor mit griechischen Wurzeln noch einmal sein neuestes Projekt vorstellen. An der Uni Bremen entwickelt Fthenakis mit Hilfe der Deutschen Telekom-Stiftung einen Studiengang, der die Absolventen befähigen soll, Kleinkinder in Kitas zu betreuen oder gleichermaßen an Grundschulen zu unterrichten. So soll eine neue Ausbildungsqualität geschaffen werden, «die die Erzieher befähigt, die Kinder auf das 21. Jahrhundert vorzubereiten».

Derzeit sei der Übergang vom Kindergarten zur Grundschule für die Jungen und Mädchen wegen der unterschiedlichen Ausbildung der Erzieher und Grundschullehrer zu extrem. Auch der Verband der Erzieher und Erzieherinnen (BVEED) leugnet dies nicht. Die individuellen Bildungsbedürfnisse der Kinder würden bis zur Grundschule konsequent ignoriert, gibt BVEED-Präsident Alfons Vaitkus zu: «Kinder, die schon früher Lesen lernen wollen und dies könnten, werden ausgebremst.»

Das gemeinsame Studium für Erzieher und Lehrer soll hier Abhilfe schaffen. «Wir lösen dadurch zunächst das Problem der Kommunikation – Kindergärten kommunizieren nicht mit den Grundschulen. Und wir erreichen, dass die Kinder nicht von einer Philosophie in eine andere geworfen werden», sagt Fthenakis.

Die Forderung, die Erzieher-Ausbildung zu akademisieren ist nicht neu. Erst im Januar gab der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchef Henry Tesch (CDU), das Ziel aus, den Anteil der Erzieher mit Hochschulabschluss zu erhöhen. Seit einigen Jahren gibt es eine stetig steigende Zahl an entsprechenden Studiengängen. Viele Fachhochschulen bieten Aufbaustudiengänge für Erzieherinnen und Erzieher an, die so für leitende Positionen qualifiziert werden sollen.

Nach Meinung von Fthenakis geht das jedoch in die falsche Richtung: «Das, was bei den Fachhochschulen läuft, ist ein Schritt nach hinten. Denn sie bilden wieder nur für einen Bildungsweg – für die Kindergärten – aus.» Auch aus finanzieller Sicht lohnt sich eine akademische Ausbildung für Erzieher momentan nicht, denn sie werden in der Regel von den Einrichtungsträgern bezahlt wie diejenigen, die eine herkömmliche Ausbildung zum Erzieher machen. «Derzeit sind die Leute sicherlich überqualifiziert», sagt Vaitkus im Hinblick auf den seiner Ansicht nach bislang zu niedrigen Bildungsauftrag.

Deshalb will Fthenakis nun einen Schritt weitergehen. Nach seinem Willen soll in Zukunft nur noch Erzieher werden können, wer das Abitur hat. Das Grundschullehramt soll es zudem nicht mehr geben. «Wir sorgen dafür, dass die Fachkräfte nicht auf einen Bereich fixiert werden. Das ist auch für die eigene Biografie viel interessanter», sagt Fthenakis.

Auch wenn Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) den Rat des Experten sehr schätzt, geht ihr die aktuelle Forderung doch zu weit: «Nicht jede Erzieherin braucht eine akademische Ausbildung. Wir müssen den Beruf offenhalten für die, die einen mittleren Ausbildungsweg haben.»

Mehr Zuspruch gibt es laut Fthenakis von den Kultusministern der Länder. Es seien Anzeichen dafür da, dass die KMK grundsätzlich die Akademisierung der Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher in Erwägung zieht. In einem Jahr soll die Ausarbeitung zum neuen Studiengang passend zur nächsten didacta fertig sein.