Frauen und Karriere: Wenige schaffen es an die Spitze

Hamburg (dpa) – Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer – und eine Kanzlerin noch längst keine Gleichstellung. Deutschlands mächtigste Frau, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), hat es selbst gesagt.

«Was die Gleichberechtigung betrifft, ist die Wirtschaft immer noch der geschlossenste Bereich der Gesellschaft», so die Kanzlerin. Und die Zahlen geben ihr Recht: Auf den 68 Vorstandspositionen der zehn umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland saß 2008 nur eine einzige Frau: Barbara Kux bei Siemens. In Schule, Ausbildung und Studium sind Frauen längst an der Spitze – nur im Job bleiben sie hängen an der «gläsernen Decke» zwischen mittlerem Management und Top-Job.

«Durch die Bundeskanzlerin entsteht in der Öffentlichkeit vielleicht ein schönes Bild von Frauen in Führungspositionen», sagt Corinna Kleinert vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). In Wirklichkeit aber sei es für Frauen nach wie vor schwierig, in die Führungsriege vorzustoßen. «Da hat sich in den letzten Jahren wenig zum Besseren verändert.» Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bestätigt das. Von den 526 Vorstandsposten der 100 größten Unternehmen sind demnach nur sieben von Frauen besetzt. Das sind gerade 1,3 Prozent. Lediglich in einem der Top-200-Konzerne ist eine Frau als Vorstandsvorsitzende an der Spitze: Petra Hesser beim Möbelhaus IKEA.

«Es geht nur ganz, ganz langsam vorwärts mit den Frauen in Top- Positionen», erklärt Kleinert. Der Frauenanteil in den Top-100-Vorständen stieg laut DIW immerhin von 0,2 Prozent (eine Frau) im Jahr 2006 auf 1,3 Prozent (sieben Frauen) ein Jahr später. Seitdem aber hat sich nichts mehr getan: Die Zahlen stagnieren.

International gehört Deutschland laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Grant Thornton inzwischen zu den Schlusslichtern. Die besten Chancen auf eine Top-Position haben Frauen auf den Philippinen und in Russland. Europaweit liegt Polen vorn.

Doch Zahlen alleine sagen nicht alles. Selbst bei den Führungspositionen gibt es zwei Ligen: «Wenn eine Frau mal eine Spitzenposition inne hat, dann ist das meist eine untergeordnete», hat Kleinert beobachtet. «In die hohen, verantwortungsvollen Jobs kommen sie nicht rein.» Die Luft ist dünn für Frauen an der Spitze. Die gläserne Decke können sie oft nicht durchstoßen.

Fragt man Kleinert, so liegt dies auch an der Unternehmenskultur. «Die ist zählebig und ändert sich nicht schnell.» Besonders in konservativen Branchen wie bei Banken und Versicherungen hätten es Frauen schwer. Aber selbst in Betrieben mit einem durchschnittlichen Frauenanteil von 84 Prozent besetzen Frauen laut IAB nur 56 Prozent der Führungspositionen. Generell gilt sogar: Je weniger Frauen in einer Branche arbeiten, desto größer sind ihre Chancen auf der Karriereleiter. «Eine Ingenieurin ist als einzige Frau unter vielen Männern eben sichtbarer», meint Kleinert.    

Zwar könne die Fächerwahl im Studium die Chance auf eine Spitzenposition steigern. Wichtiger sei aber, dass den Frauen die Netzwerke und Leitbilder fehlten. «Außerdem sind Führungspositionen fast immer in Vollzeit. Teilzeit ist nichts um Karriere zu machen.»

Lösungsvorschläge gibt es viele: Frauen-Netzwerke, Mentorenprogramme mit erfahrenen Spitzenmanagern, Frauenquoten in Vorständen. Von Quoten wie zum Beispiel in Norwegen hält Bundeskanzlerin Angela Merkel aber nicht viel – und sieht die Politik ohnehin nicht in Zugzwang. «Ich sehe das nicht als Aufgabe für den Gesetzgeber, sondern als Aufgabe der Wirtschaft selbst», sagte sie im Interview mit der Wochenzeitung «Die Zeit». «Insofern glaube ich, dass in vielen Vorstandsebenen Chancen vertan werden.»