Gedanken in Kürzel fassen: Steno nutzt noch heute

Dresden/Bayreuth (dpa/tmn) – Wenn es so weiter geht, wird sie zur Geheimschrift – und ein bisschen sieht sie auch so aus: die Deutsche Einheitskurzschrift, kurz genannt Steno.

Denn dank des rasanten Vormarsches der Informationstechnologien mit all ihren Möglichkeiten zur Aufnahme von Gesagtem, zur Datenermittlung und Verbreitung, verliert Stenografie immer mehr an Bedeutung. Die Stenotypistin als Berufsbild gibt es nicht mehr, und auch die Sekretärin, die Diktate mitschreibt, ist vom Aussterben bedroht. Doch in vielen anderen Jobs kann die Kurzschrift durchaus Vorteile bringen.

Wer häufig Sitzungsprotokolle verfassen muss, profitiert von der Kurzschrift genauso wie Studenten, die in Vorlesungen mitschreiben. Journalisten können mit ihr besser Gesagtes festhalten und genauer zitieren, Manager ihre Gedanken für eine Rede schneller zu Papier bringen. «Ich kann so schnell schreiben, wie ich denke», nennt Hannelore Schindelasch, Präsidentin des Deutschen Stenografenbundes im hessischen Ober-Mörlen, einen wesentlichen Vorteil der Kurzschrift.

Das Prinzip der Kurzschrift ist einfach: Sie setzt – der Name deutet es an – auf Verkürzungen. Beim t werde zum Beispiel nur ein Strich statt zweien geschrieben, erklärt Schindelasch. Selbstlaute wie e oder o verfügen in der Regel nicht über ein eigenes Zeichen, sondern sind durch die Art der Verbindung mit benachbarten Lauten erkennbar, erklärt die Forschungs- und Ausbildungsstätte für Kurzschrift und Textverarbeitung in Bayreuth. Für häufig gebrauchte Wörter oder Wortteile gibt es Kürzel.

Die Deutsche Einheitskurzschrift gibt es in drei Stufen. «Die Verkehrsschrift ist die Grundlage. Wenn man die beherrscht, schreibt man dreimal so schnell wie in der normalen Langschrift», erklärt Schindelasch. Das reiche für Notizen, für Konzepte, Korrespondenz oder für die Erstellung von Protokollen, erläutert Prof. Boris Neubauer, Vorsitzender der Bayreuther Forschungsstelle und Mehrsprachenweltmeister der Stenografen. Auf die Verkehrsschrift bauen die Eil- und die Redeschrift auf, die weiter verkürzen.

«Es gibt in Deutschland keinen Ausbildungsberuf mehr, in dem die Kurzschrift gelehrt wird», sagt Schindelasch. Wer Steno lernen möchte, müsse selbst aktiv werden. Kurse gibt es an Volkshochschulen (VHS) und bei Stenografenvereinen. Daneben bieten Verwaltungsschulen und Privatlehrer Unterricht an, sagt Marlies Porath, die an der VHS Dresden Stenokurse gibt. Sie rät davon ab, die Kurzschrift im Eigenstudium zu lernen. «Die Feinheiten, auf die es ankommt, sind allein schwer zu lernen», sagt sie. «Die Kürzel müssen sehr korrekt geschrieben werden. Hält man das nicht ein, gibt es Probleme beim Lesen.» 30 Unterrichtsstunden reichten zum Lernen aus – vorausgesetzt der Schüler übt nebenher.

Boris Neubauer sieht das nicht so eng: «Es geht im Selbststudium», sagt er. Ein Lehrer sei aber hilfreich, um Fehler abzustellen. Die Stenografenvereine böten Korrekturen an, ergänzt Schindelasch. Wer die Kurzschrift lernt, könne seine Texte einscannen und an einen Verein schicken. Die Experten geben dann Tipps.

Wie schnell jemand die Kurzschrift beherrscht, hängt vor allem vom eigenen Fleiß ab. «Manche lernen es in drei Monaten, wenn sie jeden Tag üben», hat Schindelasch beobachtet. Andere brauchten zwei Jahre. Rund 120 Stunden Übung für die Verkehrsschrift sollte man ihr zufolge einplanen. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. «Man sollte aber die Rechtschreibung sicher beherrschen.» Da in der Kurzschrift Groß- und Kleinschreibung oder Verdoppelungen wegfielen, bestehe sonst die Gefahr, dass sich Fehler in die Langschrift einschleichen.

Literatur: Ilse Drews: Steno heute – programmiert, Bildungsverlag eins, ISBN: 978-3-82426-106-2, 19,95 Euro; Hans Lambrich, Margit Lambrich: So lerne ich stenografieren, Winklers, ISBN: 978-3-80458-312-2, 11,95 Euro.