Gewalt ist in der Ausbildung oft an der Tagesordnung

Hamburg/Bremen (dpa/tmn) – Von der kleinen Gehässigkeit bis zur schweren Körperverletzung: Aggressionen und Gewalt gehören in der Berufsausbildung leider oft zur Tagesordnung.

Inzwischen gibt es spezielle Präventionsprogramme, die Aggressionen an Berufsschulen und in Ausbildungsbetrieben verhindern sollen. Viele Unternehmer und Arbeitnehmer würden das Thema Gewalt in der Ausbildung aber verdrängen, erklärt Ralf Schweer, Arbeitspsychologe bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) in Hamburg. Ein Grund sei Angst vor Wettbewerbsnachteilen, so der Experte: «Dabei ergeben Befragungen von Ausbildern und Lehrkräften, dass aggressives Verhalten, Konfrontationen oder Gewalt zwischen Jugendlichen zum Alltag in ihrem Beruf gehören.» 60 Prozent der von der VBG Befragten werden mindestens einmal in der Woche mit Gewalt oder aggressivem Verhalten konfrontiert. Dabei ist das Spektrum unterschiedlich: Es reicht von bösen Worten bis zu Körperverletzungen.

Ähnlich wie in anderen Bereichen habe die Gewalt an Schulen vermutlich nicht zugenommen, sagt Detlef Braun von der Unfallkasse Bremen: «Aber die Qualität nimmt zu.» Das heißt, die Gewalttätigkeiten an Berufsschulen und in den Ausbildungsbetrieben werden immer brutaler. Auf dem Vormarsch sei auch an Berufsschulen das sogenannte Bullying, wie die Wissenschaft eine spezielle Form des Mobbings an Schulen nennt.

Herbert Scheithauer, Psychologe und Experte für Jugendgewalt von der Freien Universität Berlin (FU), sieht vor allem die Perspektivlosigkeit vieler junger Menschen als Ursache für Aggressionen: «Viele Jugendliche haben Schwierigkeiten, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden.» Die «Sinnhaftigkeit» einer Ausbildung sei ihnen nicht klar, meint der Psychologe.

Um Gewalt an Berufsschulen und in Ausbildungsbetrieben entgegenzuwirken, bieten einige Berufsgenossenschaften inzwischen spezielle Trainingsprogramme an. Dabei geht es unter anderem darum, Ausbilder zu schulen, damit sie mit Gewalt und Aggressionen der Jugendlichen besser zurechtkommen. Aber auch Kurse für ganze Berufsschulklassen werden angeboten. Eines dieser Programme hat FU-Forscher Scheithauer entwickelt. Dabei diskutieren die Trainer zunächst mit den Schülern über das Thema Gewalt.

«Viele Jugendliche wissen gar nicht, dass ihr Verhalten gewalttätig ist», erzählt Scheithauer. Anschließend stellen die Berufsschüler in Rollenspielen Situationen nach, in denen Gewalt droht. Wissenschaftliche Begleitstudien des Fairplayer-Programms haben ergeben, dass sie eine positive Wirkung haben, wie Scheithauer berichtet: «Die Gewalt ist an diesen Schulen um 50 Prozent zurückgegangen. Außerdem sind die Schüler eher in der Lage, sich in andere hineinzuversetzen.»

Nicht immer ist ein Gewalt-Präventionsprogramm nötig. Oft helfen schon kleine Veränderungen, um aggressives Verhalten einzudämmen. Ganz wichtig sei die Frage, wie man miteinander umgeht, erklärt Scheithauer: «Lehrer können sehr aktiv etwas für das soziale Klima tun.» Dazu gehöre etwa das Formulieren konkreter Verhaltensregeln. Anti-Gewalt-Trainings können Gewalt nie ganz verhindern. Lehrer und Ausbilder müssten immer wieder von neuem für ein positives Klima in der Ausbildung sorgen, sagt Detlef Braun. «Man braucht einen langen Atem.»