Goethe und Merkel in Hörsälen der Jubiläums-Uni Leipzig

Leipzig (dpa) – Sie gehört zu Europas ältesten Universitäten: Am 2. Dezember 1409 begann im Thomaskloster der Studienbetrieb der noch überschaubaren Alma Mater Lipsiensis – mit 46 Magistern und Doktoren sowie 369 Studenten.

Die Leipziger Universität, nach Heidelberg die zweitälteste in Deutschland mit durchgehendem Betrieb, ist im Lauf von 600 Jahren mehr und mehr gewachsen. Dabei saßen auch inzwischen weltberühmte Persönlichkeiten wie die Dichter Goethe und Lessing in ihren Hörsälen. Die Zahl der Fakultäten wuchs von ursprünglich vier auf derzeit 14. Im Jubiläumsjahr 2009 sind an der Hochschule 29 000 junge Frauen und Männer in 96 Studiengängen eingeschrieben.

Dabei war die sächsische Geistesschmiede lange eine reine Männerdomäne: 1870 durften sich erstmals Frauen als Gasthörerinnen einschreiben, seit 1906 wurden sie dann «ordentlich» zum Studium zugelassen. In diese Zeit fiel auch die erfolgreichste Ära der Hochschule. «Den größten Ruf in der Welt hatte die Uni um 1900, also im wilhelmischen Kaiserreich», sagt Geschichtsprofessor Manfred Rudersdorf. Forscher wie Wilhelm Wundt (1832-1920), der das erste psychologische Institut der Welt gründete, und der Chemiker Wilhelm Ostwald (1853-1932), der ein großindustrielles Verfahren zur Herstellung von Salpetersäure erfand, sorgten damals für Aufsehen.

Im Lauf der Jahrhunderte mehrten weitere Gelehrte von Weltruf den Ruhm altehrwürdigen Alma Mater, darunter die Physiknobelpreisträger Werner Heisenberg (1901-1976) und Gustav Hertz (1887-1975) oder der Philosoph Ernst Bloch (1885-1977). Unter den Studenten waren ebenfalls spätere Berühmtheiten wie Naturforscher Georg Agricola (1494-1555), Reformator Thomas Müntzer (um 1490-1525), Komponist Richard Wagner (1813-1883) und Schriftsteller Erich Kästner (1813- 1883).

Literaten mit Leipziger Abschluss machen bis heute Furore, wie Juli Zeh und Clemens Meyer, und auch die deutsche Bundeskanzlerin hat hier studiert. «Es war eine schöne Zeit», sagte die Physikerin Angela Merkel vor einigen Monaten über ihre Jahre an der Hochschule, die zu DDR-Zeiten Karl-Marx-Universität hieß. Sie sei sicher, dort eine sehr gute fachliche Ausbildung erhalten zu haben.

Im bundesweiten Fächer-Vergleich kann die Hochschule mit mehreren Unikaten punkten. Ihr Literaturinstitut etwa ist die einzige Stätte in Deutschland, an der Schriftsteller mit Hochschulabschluss ausgebildet werden – und dies seit 1955. Weitere einzigartige Fächer sind die Namenskunde (Onomastik) sowie die Wissenschaft der sorbischen Sprachen und Literaturen (Sorabistik).

Seit Monaten wird auch an einem dem 21. Jahrhundert entsprechenden äußeren Erscheinungsbild des Hochschulcampus in der Innenstadt gearbeitet. In das Bauprojekt fließen rund 200 Millionen Euro, mit denen auch eine große Wunde im Stadtzentrum geschlossen wird: Dort, wo die 1968 auf Geheiß der SED-Oberen gesprengte Paulinerkirche stand, entsteht das neue Herzstück. Das Paulinum wird eine Aula und einen Andachtsraum zugleich beherbergen. Zwar erst Ende 2010 fertig, dient es bereits am 2. Dezember diesen Jahres als Kulisse für die große Jubiläumsfeier. Insgesamt lassen sich Freistaat, Stadt und Universität sowie deren Förderer die Jubiläumsfeierlichkeiten rund sechs Millionen Euro kosten, sagt Uni-Sprecher Tobias D. Höhn.