In offizieller Arbeitslosenzahl fehlen Hunderttausende ohne Job

Mehr als 100.000 über 58-Jährige ohne Job werden von der Bundesagentur für Arbeit (BA) nicht in die offiziell gemeldete Arbeitslosenzahl mit eingerechnet.

Das geht aus Daten der BA hervor. Die Grünen werfen der Bundesregierung deshalb vor, bei den Arbeitslosenzahlen von Älteren vor der Einführung der Rente mit 67 zu tricksen, wie die Süddeutsche Zeitung am Freitag berichtete.

Der BA-Statistik zufolge waren im November 2011 genau 514.483 Menschen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren arbeitslos gemeldet. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen – 275.434 – bezog die staatliche Grundsicherung Hartz IV.

Viele über 58-Jährige tauchen in dieser Auflistung aber gar nicht auf. Das liegt an einer Sonderregelung, die 2008 von der Großen Koalition eingeführt wurde: Wer mindestens 58 Jahre alt ist und wenigstens zwölf Monate Arbeitslosengeld II (Hartz IV) bezieht, ohne ein Jobangebot bekommen zu haben, gilt nicht als arbeitslos.

In der monatlich veröffentlichten BA-Statistik wird diese Gruppe allerdings durchaus aufgeführt, und zwar unter der Rubrik Unterbeschäftigung. Aus ihr ist ersichtlich, dass diese Regelung im November 2011 knapp 105.000 Personen über 58 Jahre betraf und somit 16 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Würde man diese Gruppe in die Arbeitslosenstatistik einrechnen, erhöhte sich die Arbeitslosenrate der 55- bis 64-Jährigen von 8,0 auf 9,7 Prozent, wie das Bundesarbeitsministerium mitteilte.

Tatsächliche Arbeitslosigkeit beträgt 3,86 Millionen

In der offiziell genannten Arbeitslosenzahl von zuletzt 2,713 Millionen für November fehlt aber nicht nur diese Gruppe der über 58-Jährigen: Außen vor bleiben auch Arbeitslose, die in einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme stecken. Das waren im November mehr als 150.000.

Ebenfalls nur als nah am Arbeitslosenstatus werden für November weitere 667.000 Menschen in den BA-Tabellen ausgewiesen, die unter anderem an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen, Arbeitsgelegenheiten und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen teilnehmen.

Weiter fehlen mehr als 223.000 Menschen, die einen Gründungszuschuss oder Einstiegsgeld auf den Weg zur Selbstständigkeit beziehen oder in Altersteilzeit sind.

Somit waren im November laut BA-Daten tatsächlich 3,86 Millionen Menschen ohne feste Arbeit. Allerdings haben nicht alle von ihnen einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I oder II.

Kritik vom Erwerbslosen Forum

Das Erwerbslosen Forum Deutschland forderte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) dazu auf, aus ihrem Schönwettertraum aufzuwachen und anzuerkennen, dass nichts gut in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sei. Ein gesund denkender Mensch geht normalerweise davon aus, dass nicht als arbeitslos geltende Menschen Einkommensbezieher sind und nicht auf Sozialleistungen angewiesen sind. Aber genau an solchen Phänomenen werden die pathologischen Formen der gesamten Hartz-Gesetzgebungen deutlich, kritisierte Forumssprecher Martin Behrsing.

Das Bundesarbeitsministerium erklärte unterdessen, dass nicht die Art der statistischen Erfassung entscheidend sei, sondern dass Ältere in Beschäftigung blieben beziehungsweise schnell wieder in Beschäftigung fänden.

Hierauf richten Bundesregierung, Bundesagentur für Arbeit und Jobcenter ihr Augenmerk und ihre Anstrengungen. Und hier gibt es auch deutlich sichtbare Erfolge, teilte das Ministerium mit.

So hätten in den ersten elf Monaten des Jahres 2011 mehr als 120.000 Menschen über 58 Jahre aus Arbeitslosigkeit in Erwerbstätigkeit wechseln können. Dies seien gut 10.000 mehr als noch im Krisenjahr 2010 gewesen. Gleichzeitig habe sich die Abgangsrate älterer Arbeitsloser in den ersten Arbeitsmarkt von 2007 bis 2010 von durchschnittlich 2,5 auf 3,3 Prozent im Monat erhöht.