Latrinen-Literatur: Studentin untersucht Klo-Graffiti

Bonn (dpa) ­ «Bitte nicht so sachlich heute» – einer von unzähligen Sprüchen auf Toilettenwänden. Der stille Ort als Kommunikationszentrum. Doch so still scheinen öffentliche Toiletten nicht zu sein, jedenfalls nicht für die Sprachwissenschaftlerin Katrin Fischer.

«Laute Wände ­ an stillen Orten» heißt der Titel ihrer Magister-Abschlussarbeit. Die 31-Jährige analysierte Sprüche und «Diskussionen» an Wänden und Türen der Damentoiletten in der Universität Bonn. «I love Ulf», auch wenn es Ulf nicht lesen kann.

Themen wie veganische Ernährung, Probleme mit dem Freund, Krankheiten und die Hochschulpolitik beschäftigten die gebürtige Heidelbergerin acht Monate lang. Die «Klo-Graffitis» gaben ihr viel Lese- und auch Forschungsstoff. Es gab teilweise bis zu 60 Beiträge zu einem Thema. Mehr als 700 Fotos machte die Studentin von der Bonner «Latrinenliteratur». 122 wählte sie letztlich für ihre 165 Seiten lange Arbeit aus.

Ihre Forschungszeit hat sie genossen: «Mich hat immer schon fasziniert, dass Leute auf halböffentlichen Räumen miteinander kommunizieren. Warum nicht die Abschlussarbeit darüber schreiben?» Ihre Betreuerin war begeistert und los ging die Forschungsreise. Ziel war nicht eine weitere Sammlung witziger Klosprüche, sondern die sprachwissenschaftliche Untersuchung von Sätzen wie «Ihr könnt hier so viel diskutieren wie ihr wollt, die Welt bleibt so beschissen wie sie ist» oder «wer ist der geilste Junge im englischen Seminar?».

So fanden sich sachliche und ernstzunehmende Sprachweisen, wie auch aggressive und beleidigende Beiträge. Zwar gibt es seit den 80er Jahren Forschungsarbeiten zu «Klo-Graffitis», doch meist von Psychologen oder Pädagogen, der sprachwissenschaftliche Aspekt ist neu. Für die WC- Autoren gibt es keine Regeln. Die anonymen Spruchschreiber entscheiden selbst, was richtig oder falsch ist. Korrekturen, Zensuren – alles ist erlaubt. «Öffentliche Toiletten stellen eine künstliche Privatsphäre her. Man kann sich einschließen und ist für sich», sagt Katrin Fischer der Deutschen Presse-Agentur dpa.

In ihre Forschung bezog sie zwar nur Damentoiletten ein. Doch in Gesprächen mit männlichen Kommilitonen machte die ausgebildete Schauspielerin eine interessante Entdeckung: «Mir wurde berichtet, dass auf den Männertoiletten tendenziell eher versaute Sprüche stehen. Richtige Diskussionen sind nicht zu finden.» Ist das vielleicht ein Indiz für das Klischee, Frauen würden immer so viel reden? Auch auf dem Klo scheinen sie sehr kommunikativ zu sein.

Für Katrin Fischer ist der Gang in öffentliche Toiletten immer noch interessant. Ihre Sammelleidenschaft hat sie auch nach ihrem Magister noch nicht beendet. «So ganz kann ich nicht aufhören, Sprüche zu fotografieren. Aber immerhin fange ich nicht mehr an, sie zu kategorisieren.»

Doch Klo-Sprüche bleiben Sachbeschädigung und sind vergänglich. Im Hauptgebäude der Universität Bonn wurden sie überstrichen. Die Toilettenbesucherinnen fragen und fordern nun: «Wo sind all die Graffitis hin?» «Schreib doch mal was, mir ist so langweilig hier.» Da Katrin Fischer Fotos der «Klo-Graffitis» aus ihrer Arbeit ausstellt, sind die Sprüche und Diskussionen noch bis zum 20. Oktober am Institut für Kommunikationswissenschaften der Universität Bonn zu besichtigen.