Liebe zwischen Mensa und Vorlesung: Paare an der Uni

Berlin (dpa/tmn) – Erste vorsichtige Blicke während der Vorlesung und Flirten beim gemeinsamen Essen in der Mensa, bis dann endlich der erste Kuss folgt: Kaum ein Ort eignet sich so gut wie die Hochschule dazu, einen neuen Partner kennenzulernen.

Häufig halten Studienbeziehungen sogar weit über die Uni-Zeit hinaus. Doch auch wenn Liebe und Uni am Anfang perfekt zusammenpassen, sollten Paare einige Dinge beachten, damit sie sich nicht nach kurzer Zeit auf die Nerven gehen. Denn nur noch mit dem neuen Partner in der Uni aufzukreuzen und ständig gemeinsam zu lernen, kann auch ein Liebestöter sein.

«Zuerst einmal ist es wichtig zu wissen, dass sich Liebe und Uni nicht ausschließen», sagt die Psychologin Brigitte Reysen-Kostudis von der Freien Universität Berlin. Viele Studienanfänger wollen sich ihr zufolge nur aufs Studium konzentrieren. «Sie glauben, es würde Schwierigkeiten geben, wenn sie sich verlieben.» Doch das muss nicht sein. Im Gegenteil: «Liebe verleiht auch an der Hochschule Flügel.» So könne eine Beziehung motivieren, sich die Zeit effizienter einzuteilen. «Wer sich den Abend für den Partner freihalten will, lernt tagsüber möglicherweise intensiver.»

Außerdem kann Verliebtheit helfen, mit den Anforderungen des Studiums besser klarzukommen, sagt Wilfried Schumann, Leiter der Psychosozialen Beratungsstelle an der Universität Oldenburg. «Der Vorteil einer Beziehung mit einem anderen Studenten ist, dass man ein ähnliches Umfeld hat und jeder die Lebenswelt des Partners gut kennt», erläutert der Experte. «Man versteht die Alltagssorgen und Probleme des anderen besser, als wenn nur einer der beiden studiert und der andere arbeitet.»

Daher sollen frischverliebte Uni-Paare ihre erste Zeit besonders genießen, rät der Psychologe. «Doch dann müssen beide eine gute Balance finden zwischen Dingen, die sie alleine machen, und Dingen, die sie als Paar unternehmen.» Auch wenn die Versuchung groß sei, zusammen Seminare zu besuchen, in der Bibliothek zu lernen und sich abends noch abzufragen, muten Paare sich damit schnell zuviel zu.

Das bestätigt der Paartherapeut Bernhard Broekman aus Wiesbaden. «Jede Partnerschaft umfasst einen privaten und einen beruflichen Kontext», erklärt der Psychologe. «Dabei muss man darauf achten, dass man beide Bereiche nicht zu sehr miteinander vermischt, also nicht Berufliches ins Privatleben nimmt und umgekehrt.» Für Studenten bedeutet das, dass sie am besten nicht abends beim Kuscheln auf dem Sofa über die Hausarbeit diskutieren oder sich gegenseitig abfragen.

Sonst droht die Gefahr, dass sie entweder das Studium vernachlässigen oder die Beziehung versachlichen, also nur noch über die Uni reden. «Es kann auch schwierig sein, wenn man Paarprobleme in die gemeinsame Lernzeit mitnimmt und sich zum Beispiel mehr ankeift, als effektiv miteinander zu lernen», sagt Broekman. Außerdem könne es passieren, dass bei zu viel gemeinsamem Lernen eine Konkurrenzsituation entsteht – nach dem Motto: «Ich lerne schneller als Du, ich bin besser als Du!»

Schumann rät daher, Zeiten festzulegen, in denen man als Paar Spaß haben möchte, und diese von Zeiten zu trennen, in denen man gemeinsam etwas fürs Studium tut. «Das ist zwar in der Praxis nicht immer so einfach voneinander zu trennen, trotzdem kann es helfen, diese Idee zumindest in groben Zügen zu verfolgen», sagt er. Es sei wichtig, dass jeder Partner auch Zeit für sich hat. «Jeder braucht eine gewisse Autonomie, sonst erkennt man sich selber irgendwann nicht wieder.»

Hinzu komme, dass Eigenständigkeit auch an der Hochschule notwendig ist. «Wer sich immer nur hinter dem Wissen des Partners versteckt oder nur gemeinsam lernt, weiß irgendwann nicht mehr, was die eigenen Leistungen sind», erklärt Schumann. «Das kann jedoch problematisch werden, denn jeder sollte Rückmeldungen für die eigenen Leistungen bekommen – und damit eigene Erfolge feiern können.»