Liszt und Bauhaus: Ausländische Studenten mögen Weimar

Weimar (dpa) – Ein dicker Schal verdeckt zur Hälfte sein Gesicht, auf dem Kopf sitzt eine Wollmütze – am Leib trägt er allerdings nur eine dünne Regenjacke. «Hauptsache, der Kopf steckt warm, dann friere ich nicht», erklärt Eduardo Donoso.

Der Ecuadorianer, der in seiner Heimat keine Jahreszeiten kennt, lässt sich von seinem ersten deutschen Winter nicht abschrecken: Von April an möchte er in Weimar an der bekannten Bauhaus-Universität studieren, in der Stadt in Thüringen mit dem größten Anteil an ausländischen Studenten. Um qualifizierten Hochschulnachwuchs aus der ganzen Welt werben in Zeiten sinkender Schulabgängerzahlen alle neuen Bundesländer. Die beiden Hochschulen in der Klassikerstadt scheinen dabei besonders attraktiv zu sein.

«Wir haben eine große Anziehungskraft auf Architekten und Künstler», sagt Bernd Ufer. Der Direktor für Internationales an der Traditions-Universität macht deren «Marke Bauhaus» für die hohen Zahlen an Ausländern verantwortlich. Die Verknüpfung von Kunst und Technik sei ebenso etwas besonderes wie die interdisziplinäre Medien-Fakultät. Sein Kollege an der Hochschule für Musik «Franz Liszt» verweist auf eine Generation von jungen Menschen, die vor dem Computer groß geworden ist, anstatt Instrumente zu lernen. «Die Zahlen deutscher Bewerber gehen deutschlandweit drastisch zurück», sagt Hans-Peter Hoffmann. Ein internationales Umfeld ist an Musikhochschulen deshalb seit Jahren die Norm.    

Jeder dritte Musikstudent in Weimar kommt nicht aus Deutschland. Die Bauhaus-Universität hat einen Ausländeranteil von 14 Prozent. Das ist doppelt so viel wie der Thüringer Landesdurchschnitt. Elfenbeinküste, Brasilien, Nepal – die Studenten kommen aus allen Teilen der Welt, wobei Asien überwiegt: An der Bauhaus-Universität stellen Chinesen bei 81 vertretenen Nationen die größte Gruppe, an der Musikhochschule dominieren Studenten aus Südkorea.

Aus Neugier und wegen des guten und kostengünstigen Hochschulsystems studierte Jiang in Weimar Medienkultur. «Mit der Bürokratie zu kämpfen, war fast genauso schwer wie deutsch zu lernen», erzählt der junge Mann aus Shanghai. Genügend Geld und ein bestandener Sprachtest sind für Chinesen Voraussetzung, um hier lernen zu können. Damit ihr Abitur in Deutschland anerkannt wird, ist die Teilnahme an einem einjährigen Studienkolleg für Schulabgänger Pflicht. Deutsche Freunde habe er anfangs nur wenige gehabt, sagt er rückblickend. «Wir sind vielleicht einfach zu schüchtern und zurückhaltend. Die Leute hier sind auch nicht so offen, da treffen beide sehr passiv zusammen.»

Probleme mit Ausländerfeindlichkeit haben bisher weder Jiang und Eduardo noch Natasha Lopez gemacht, die seit 2004 Gesang in Weimar studiert und die Bühnenerfahrungen vor dem Berufseinstieg lobt. Doch alle drei berichten von Freunden, denen so etwas schon passiert seien. «Rassismus habe ich nicht erlebt, aber die Leute haben oft Vorurteile und stecken einen in eine Schublade, das stresst», sagt Natasha. Und Jiang meint: «Wenn man sehr empfindlich ist, kann man solche Gefühle jeden Tag im Ausland haben.» Deutsche Studenten seien kritischer als die südamerikanischen, meint Eduardo. «Sie lernen, nicht alles zu glauben.» Für den Mann aus Ecuador war es allerdings ein «Schock», dass hier kaum jemand während des Studiums bei seinen Eltern lebt.

Mit englischen Masterstudiengängen, besserer Integration und Studienwerbung in den USA und China möchte die Bauhaus-Universität ihren Anteil an ausländischen Studenten auf 20 Prozent erhöhen. In einem Pilotprogramm werden seit Oktober zehn junge Vietnamesen in Hanoi mit Sprach- und Fachkenntnissen auf ein Ingenieursstudium in Weimar vorbereitet. Die Musikhochschule setzt auf Bildungsexport: Deutsche Dozenten unterrichten seit vier Jahren an der German School of Music in Südkorea. «Unsere Werbung besteht darin, dass unsere Professoren ins Ausland ausschwärmen, um dort Meisterkurse anzubieten», sagt Hoffmann.