Musik für Videospiele: Komponisten arbeiten vielfältig

Kassel (dpa) – Als Chris Hülsbeck seine Eltern mit der Wahl seines Berufes schockierte, gab es den noch gar nicht. Heute gibt es ihn, und der Kasseler ist ein Weltstar mit Haus und Studio bei San Francisco und Auftraggebern auf der ganzen Welt: Hülsbeck ist Komponist.

Doch der 41-Jährige hat ein Spezialgebiet, das zwar überall präsent ist, bislang aber kaum beachtet wurde. Der Kasseler schreibt Musik für Videospiele. Mit seinen Werken und einem Orchester mit 120 Musikern hat er schon Zehntausende begeistert.

«Eigentlich war es ganz einfach: Musik war immer mein Hobby, Computer waren immer mein Hobby, da lag die Verbindung nahe. Nur, dass ich damit mal mein Geld verdienen würde, hätte ich nicht mal geträumt.» Hülsbeck kommt aus einer musikalischen Familie. Schon früh spielte er «alles was Tasten hat». Dazu zählte auch das Keyboard des Computers, denn der begeisterte «Gamer» wäre gern Programmierer geworden. «Als ich 18 war, gab es einen Wettbewerb in einer Computerzeitschrift. Das fand ich spannend, weil ich immer wieder Melodien im Kopf hatte. Das komplizierte war, die umzusetzen. Der C64 konnte damals ja nur drei Töne.»

In den frühen 80er Jahren freuten sich die Entwickler von Videospielen, wenn der Computer überhaupt etwas von sich gab. Dass das über ein simples Didit-Tada-Didit kaum hinausging, was heute schon von Türgongs übertroffen wird, störte nicht. «Gerade das war ja die Herausforderung, aus den paar Tönen was Interessantes zu machen», sagt Hülsbeck. Die Stücke, die er damals der Jury anbot, hört er heute noch gern. «Da ist Nostalgie dabei und auch etwas Stolz.» Kein Wunder: Hülsbeck gewann den Wettbewerb.

«Damals hat sich noch keiner ausgemalt, was daraus mal werden würde», sagt der 41-Jährige heute. Auch nicht die Eltern, weil sich der Junge für die Schule «nicht mehr so vordringlich interessierte». Zweifel an der Zukunft des Wegs hatten nicht nur sie. Doch der junge Nordhesse bekam seinen ersten Auftrag, dann noch einen und schließlich war er in seinen Zwanzigern ein anerkannter Komponist für Videospielmusik.

«Es ist ein bisschen wie Filmmusik. Nur kommt bei uns das Interaktive hinzu», erklärt Hülsbeck seine Arbeit. Während beim Film der Komponist die Musik szenengenau abstimmen kann, hängt beim Spiel alles vom Nutzer ab, der mal schneller, mal langsamer mit dem Spiel ist. «Der große Tusch soll erst mit dem Finale kommen. Und vorher darf die Musik nicht abgehackt sein oder in Dauerschleife dudeln.» Also arbeitet Hülsbeck schon bei der Entstehung des Spiels mit, komponiert mehrere Varianten und sorgt für unbemerkte Übergänge, wenn der Spieler endlich das nächste Level erreicht hat. «Es ist in erster Linie viel, viel Programmierarbeit.»

Im Jahr 1998 bekam er das Angebot, die Musik für «Star Wars – Rogue Squadron» für Nintendos N64 zu schreiben. Dafür musste er in die USA gehen. So wurde aus Christopher Hülsbeck Chris Huelsbeck und aus dem Kasseler einer der gefragtesten Komponisten seiner Branche weltweit. Im vergangenen Sommer gab er sogar ein Konzert mit mehr als 120 Musikern des WDR-Rundfunkorchesters in Köln. Die Karten waren ebenso schnell vergriffen wie die vom WDR produzierte CD. Am 4. August spielt er mit dem Königlichen Philharmonischen Orchester in Stockholm im Konserthuset, wo die Nobelpreise vergeben werden.

Träume hat der 40-Jährige aber noch. «Meine Vorbilder sind fast alle Filmmusikkomponisten: John Williams, Jerry Goldsmith, Alan Silvestri oder Hans Zimmer.» Letzter ist Frankfurter und hat es in Hollywood zum Millionär und Oscar-Preisträger gebracht. «Für einen Film würde ich gern mal die Musik schreiben», sagt Hülsbeck und fügt augenzwinkernd hinzu, dass es «Kontakte» gebe. Der Traum hat auch einen europäischen Ableger: «Mal die Musik für einen Tatort schreiben – das wäre Klasse.»

Seit Januar ist Hülsbeck mit einer Amerikanerin verheiratet und genießt Ehe- und Musikleben. In den USA fühlt er sich wohl, auch wenn er gern den Vater bei Kassel besucht. Und deutsches Essen vermisst: «Kalifornien ist toll. Aber die Frühstücksbrötchen hier, tut mir leid, das geht ja gar nicht.»