Nicht vorschnell kündigen, sondern Neustart wagen

Berlin (dpa/tmn) – Anhaltende Unzufriedenheit im Beruf ist kein Grund, gleich nach einer neuen Stelle zu suchen. Aber sie ist ein guter Anlass für eine kritische Zwischenbilanz.

«Als erstes sollte man allerdings herausfinden, was einen unzufrieden macht», sagte die Karriereberaterin Brigitte Scheidt in einem Gespräch mit dem dpa-Themendienst. «Sind es die Kollegen, der Chef, die Bezahlung oder die Arbeitsbedingungen?» Dann stellt sich die Frage, ob sich das ändern lässt. «In dem Fall kann man zum Beispiel mit der Personalentwicklung sprechen», so die Diplompsychologin aus Berlin.

«Kann ich nichts daran ändern, sollte ich prüfen, ob ich mich mit der Situation arrangieren kann.» Wichtig sei, sich dann bewusst fürs Bleiben zu entscheiden, um sich nicht als Opfer der Sachzwänge zu fühlen. «Zusätzlich ist es ratsam, sich einen Ausgleich außerhalb des Berufs zu suchen, woraus ich Befriedigung ziehe.» Aber zu bleiben und seinen Frieden mit den Verhältnissen zu machen, ist nicht die einzige Option: «Wenn ich die Situation nicht ändern und mich auch nicht arrangieren kann, dann ist klar, dass ich gehen werde», sagt Scheidt.

«Natürlich ist es riskant, etwas aufzugeben, aber es ist auch riskant zu bleiben und etwas zu tun, worunter man leidet», erläutert die Psychologin. Wer sich entschieden hat, beruflich ein neues Kapitel aufzuschlagen, sollte nicht nur die bisherige Stelle auf den Prüfstand stellen: «Gerade nach einigen Jahren Berufstätigkeit kann ich mich fragen Ist das, was ich mache, das, was ich auch in den nächsten zehn Jahren machen will?» Denn oft sei der Weg in einen bestimmten Beruf gar nicht bewusst gewählt worden.

«Viele haben einen Beruf nur ergriffen, weil man ihnen dazu geraten hat, oder haben beispielsweise Jura studiert, weil der Vater auch Jurist war», sagt Scheidt. «Dann kommt aber oft der Punkt, an dem sie sich über- oder unterfordert fühlen oder sie arbeiten unter ständigem Druck und fühlen sich schon am Sonntag schlecht, wenn sie an Montag denken.» In solchen Fällen kann es sich lohnen, nicht nur nach einem neuen Arbeitgeber zu suchen, sondern sich insgesamt neu zu orientieren. «Das erfordert immer einen persönlichen Entwicklungsprozess, an dessen Ende bei Gelingen eine neue berufliche Identität steht – eine, die zu einem passt», erläutert Scheidt.

Am Anfang solcher Überlegungen sollte eine Bestandsaufnahme stehen. «Auf dieser Grundlage kann ich die Entscheidung treffen, mich beruflich neu auf den Weg zu machen.» Dafür sei notwendig, sich von seinem alten beruflichen Leben wie Status, Kollegen und Aufgaben, zu verabschieden. Den zweiten Schritt bezeichnet Scheidt als Öffnungsphase: «Ich muss neugierig sein und meinen Blick für bisher Ausgeschlossenes erweitern.» In der Suchphase werden interessante Optionen unter die Lupe genommen.

«Fündig werde ich allerdings oft erst, wenn ich mit der Suche wieder aufgehört habe. In der Findungsphase heißt es auszuwählen, zuzupacken und anzufangen.» Eine solche berufliche Neuorientierung könne sechs Monate dauern, aber auch drei Jahre. Sie braucht auf jeden Fall Zeit: «Die Ungeduldigen brauchen dafür am längsten, weil sie zwischendurch unterbrechen und später noch einmal neu ansetzen müssen.»