Private Sorgen im Job nicht immer verschweigen

Stuttgart/München (dpa/tmn) – Private Sorgen sind kein Grund, nicht zur Arbeit zu gehen. Auch wer gerade vom Partner verlassen wurde, muss in der Regel weitermachen wie zuvor.

Nicht immer empfiehlt es sich, Kollegen und Vorgesetzten dann gleich von den eigenen Problemen zu erzählen. Experten raten allerdings, kein falsches Spiel zu spielen und nicht zu versuchen, sich hinter einer Fassade zu verstecken, die alles so aussehen lässt wie immer.

«Ich kann jeden verstehen, der in diesen Zeiten versucht, am Arbeitsplatz nicht zu viel von sich preiszugeben», sagt die Wirtschaftspsychologin Thordis Bethlehem aus Stuttgart. «Man will nicht unangenehm auffallen und nicht aus der Masse herausragen, um sich nicht angreifbar zu machen.» In den meisten Berufen sei heute die ganze Person gefordert. Und wer persönliche Probleme hat, von dem werde sofort vermutet, dass seine Arbeitsleistung darunter leidet, erklärt die Vizepräsidentin des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen.

«Entscheidend ist die Frage, wie ich mich dabei fühle, wenn ich so etwas sage oder verschweige», findet Christine Öttl, Karrierecoach in München. «Das ist auch eine Frage der Persönlichkeit.» Oft fühle sich der Betreffende besser, wenn er unangenehme Erlebnisse nicht verheimlichen muss. «Es kommt ja auch oft irgendwann raus.» Nicht mit offenen Karten zu spielen, sei in der Regel der größere Stress. «Und die allermeisten Chefs sind schließlich keine Monster.»

Auch Thordis Bethlehem plädiert prinzipiell für Offenheit. «Man sollte aber abschätzen, wie die Stimmung in der Abteilung ist. Und es hängt auch davon ab, welche Erfahrungen man in dieser Hinsicht gemacht hat.» Am besten sei daher, zunächst zu überlegen «Hab& ich ein Team und einen Chef, wo Offenheit geschätzt wird?», empfiehlt Karin von Schumann, die als Business-Coach in München arbeitet.

Vom grundsätzlichen Verhältnis insbesondere zum Chef hängt ohnehin viel ab: «Ist es gut, kann ich auch offen über eine schwierige private Situation sprechen.» Das gilt auch für Themen, die einem sehr unangenehm sind, etwa Stress mit der pubertierenden Tochter, die zu Hause ausziehen will. Ansprechen sollte man solche Themen allerdings nur, wenn Auswirkungen auf die Arbeit möglich sind, zum Beispiel, weil der Betreffende an manchen Tagen früher gehen muss.

Bei einer neutralen Beziehung empfiehlt die Diplom-Psychologin, es mit «begrenzter Offenheit» zu probieren: «Man muss nicht alles sagen, aber alles, was man sagt, sollte wahr sein. Notlügen sind nicht ratsam.» Wer versucht, ein Problem durch Täuschen zu verstecken, riskiert, damit aufzufliegen und an Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Drei Dinge sollten aber unbedingt vermieden werden, empfiehlt Karin von Schumann: «Man sollte von Problemen sachlich erzählen und anderen nichts vorjammern.» Zweitens geht es gar nicht, private Probleme zu nutzen, um damit berufliche Anliegen zu begründen: «Zu sagen: Chef, ich brauche mehr Geld, weil mein Sohn jetzt studiert oder weil meine Frau mehr Unterhalt verlangt, ist nicht in Ordnung.»

Und drittens kann man zwar um Rücksicht bitten, aber man sollte vom Chef oder von Kollegen keine Hilfe bei privaten Problemen erwarten: «In solchen Fällen sollte ich lieber bei meinen Freunden nachfragen. Dafür sind sie ja da.»