Schikane geht gar nicht: Azubis haben Rechte

Berlin/Heidelberg (dpa/tmn) – Lehrjahre sind keine Herrenjahre, sagt der Volksmund. Wenn das neue Ausbildungsjahr in diesen Wochen beginnt, kommt auf Berufsanfänger eine Menge zu.

Sich in eine Betriebshierarchie einzuordnen und Anweisungen von Vorgesetzten zu befolgen, ist für viele neu. Aber alles hat seine Grenzen – Auszubildende müssen sich nicht als billige Aushilfe missbrauchen lassen. Arbeitsrechtlich genießen sie einen Sonderstatus. Ihre Aufgabe ist das Erlernen eines Berufs, nicht das Zurverfügungstellen ihrer Arbeitskraft. Unbezahlte Überstunden bei Auftragsspitzen? Einkaufen für den Chef? All das ist nach dem Berufsbildungsgesetz nicht erlaubt.

«Ein Ausbildungsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis. Daher gelten teilweise auch andere Regeln», erklärt Michael Eckert, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Heidelberg und Mitglied im Vorstand des Deutschen Anwaltvereins (DAV) in Berlin. Entsprechend ist der Lehrling oder Auszubildende von seinem Betrieb auch anders zu behandeln: Er stellt diesem nicht nur seine Arbeitskraft zur Verfügung, sondern möchte einen Beruf lernen. Natürlich folgen daraus Pflichten. Er muss sich im Ausbildungsbetrieb engagieren und darf insbesondere die Berufsschule nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Aber alles, was nicht dem eigentlichen Ausbildungsziel dient, muss er laut Berufsbildungsgesetz nicht übernehmen. «Das ist relativ klar geregelt», sagt Dirk Neumann, Ausbildungsexperte im Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Auszubildende dürfen zeitlich etwa nur in dem Ausmaß eingespannt werden, wie es für ihre Ausbildung erforderlich ist. Dafür reicht die im Ausbildungsvertrag kalkulierte Arbeitszeit aus, mehr darf ein Chef nicht verlangen.

«Ein Lehrling kann nur freiwillig Überstunden machen», sagt Thomas Bettels, Ausbildungsbeauftragter der Handwerkskammer in Hamburg. Dazu gezwungen werden kann er nicht – außer in bestimmten «betrieblichen Notfällen», etwa beim Aufräumen nach einem Brand. Erklärt sich ein Lehrling aber – zum Beispiel aus finanziellen Gründen – zu Überstunden bereit, sollten beiden Seiten vorher die Vergütung klären, rät Bettels. Weil diese vertraglich nicht automatisch geregelt sei, komme es immer wieder zu Konflikten.

Was die Frage der Arbeitsinhalte angeht, gibt es vergleichsweise klare Regelungen. Ein Auszubildender soll das für den angestrebten Beruf nötige Wissen lernen und mit Hilfe von geeigneten Ausbildern in die Lage versetzt werden, die entsprechende Prüfung am Ende seiner Lehrzeit zu bestehen. Endlose Fleißarbeiten ohne Aufsicht, das Fegen des Hofes, private Besorgungen für Vorgesetzte oder andere ausbildungsfremde Arbeiten wie Büro- und Toilettenreinigung gehörten nicht dazu und seien grundsätzlich unzulässig, betont Neumann.

«Ausbildung heißt immer auch qualifizierte, hochwertige Anleitung.» Bedauerlicherweise berichteten in Umfragen des DGB fast 40 Prozent der Auszubildenden, sie würden öfters zu derartigen Tätigkeiten herangezogen. Dies sei vor allem in kleinen und mittleren Betrieben «an der Tagesordnung». Nicht jeder Lehrling, der sich über eine Tätigkeit ärgert, sollte aber gleich auf die Barrikaden gehen. In der Praxis hängt viel von der Arbeitsatmosphäre im jeweiligen Betrieb und von der subjektiven Wahrnehmung des Einzelnen ab.

«Gewisse Botengänge etwa gehören zur Ausbildung durchaus dazu», erläutert Arbeitsrechtler Michael Eckert. Aus Erfahrung weiß er auch, dass Konflikte über einzelne Arbeitsaufträge oft eher die Folge tiefer liegender Unzufriedenheit sind: «Meist läuft dann in der innerbetrieblichen Kommunikation etwas schief.»