Studentenwohnheime sind besser als ihr Ruf

Berlin (dpa/tmn) – Wenn Studenten sich keine eigene Wohnung leisten können und auch keine passende WG finden, ist das Studentenwohnheim eine Alternative. Dabei denken viele zwar Häuserklötze, tatsächlich sind viele Anlagen aber besser als ihr Ruf.

Nach Angaben des Deutschen Studentenwerks (DSW) in Berlin werden Studenten bundesweit 180 000 Zimmer in mehr als 1000 Wohnanlagen angeboten. Die Miete einschließlich aller Nebenkosten beträgt im Schnitt 190 Euro. «Vor allem Erstsemester und ausländische Studierende bewerben sich», sagt DSW-Sprecher Stefan Grob. Den Daten der Dachorganisation zufolge entscheiden sich vorwiegend jüngere Studenten für das Wohnheim: bei den unter 21-Jährigen rund jeder Sechste, im Schnitt nur jeder Zehnte. Neben den geringen Mietkosten schätzten Bewohner besonders die Möglichkeit, sich in einer neuen Stadt orientieren und im Wohnheim erste Kontakte knüpfen zu können.

Zu diesem Zweck setzen viele Wohnheime inzwischen auf Tutoren-Programme: «Studenten, die schon länger im Wohnheim sind, kümmern sich dabei um die Neuankömmlinge», erklärt Ricarda Heubach vom Studentenwerk Berlin. Sie organisierten Kennenlern-Abende und Ausflüge, seien neben Studentenwerk und Wohnheim-Verwaltung aber auch Ansprechpartner, wenn jemand Probleme hat oder sich isoliert fühlt.

Für viele ist das Studentenwohnheim dennoch nur eine Übergangslösung für die ersten Semester. Jeder Zweite zieht laut dem DSW im Laufe des ersten Jahres wieder aus, in Großstädten sei die Fluktuation besonders hoch – teilweise wechseln dort vier von fünf Bewohner zum Semesterende. «Einige bleiben aber auch mehrere Jahre», sagt Heubach. Die Höchstgrenze liegt laut Grob zwischen sechs und acht Semestern, bei stark nachgefragten Objekten sind es nur vier.

Studentenwohnheime können dabei ganz unterschiedlich aufgeteilt sein: Von möblierten Apartments über WGs bis hin zu langen Fluren mit Einzelzimmern reicht die Bandbreite. Standardmäßig enthalten sind neben Bett und Schreibtisch Regale und ein Kleiderschrank, Küchen sind mit Elektroherd und Kühlschrank ausgerüstet.

«Unmöblierte Zimmer sind die Ausnahme geworden», erklärt Grob. «Auch Mehrbettzimmer und Etagenduschen gibt es längst nicht mehr.» Stattdessen sei die Benutzung von Gemeinschaftsküchen inzwischen auf maximal vier Personen ausgelegt. Zudem stünden den Bewohnern in den Anlagen immer häufiger Waschmaschinen, Fitness-, Musik- und Gemeinschaftsräume zur Verfügung. Wichtig für den Alltag im Wohnheim seien aber auch individuelle Freiräume. «Jeder hat die Möglichkeit, in Ruhe zu lernen.»

Eine beliebte Wohnform sei die Wohnheim-WG, die meist über vier Zimmer plus Küche verfügt – annähernd jeder vierte Bewohner lebt auf diese Weise. Einen Platz erhält jedoch längst nicht jeder. «Der Bedarf an Unterkünften für Studierende kann durch Wohnheime immer noch nicht aufgefangen werden», sagt Sarina Schäfer vom Dachverband der Studentenschaften in Deutschland fzs in Berlin.

Einen Rechtsanspruch für Studenten auf ein Zimmer im Wohnheim gibt es nicht. Interessenten sollten daher bei der Bewerbung für einen Wohnheimplatz flexibel bleiben und sich nicht nur auf ein Haus beschränken, rät Heubach.

Mittlerweile werden auch Anlagen für Studenten mit gehobenen Ansprüchen häufiger von den Studentenwerken gebaut, mit schicken Glasfassaden und Cafés in zentraler Lage. Bei Preisen bis zu 1000 Euro für Wohngemeinschaften und 550 Euro für Einzel-Appartments sei es aber fraglich, ob das noch als Wohnraum für Studierende angesehen werden kann, sagt Schäfer. Ein derartiges Preisniveau verfehle die eigentliche Aufgabe der Studentenwohnheime. «Grundsätzlich sollte sich jeder Student jedes der vom Studentenwerk angebotenen Zimmer problemlos leisten können.»