Studium nach Bologna-Reform: Wie Hamster im Laufrad

Berlin (dpa) – Am Anfang stand ein Traum: ein Studium ohne Grenzen für mehr als 15 Millionen Studenten an weit über 5000 Hochschulen Europas und der angrenzenden Staaten – ohne Anerkennungsstreit über Leistungsscheine und Zwischenprüfungen.

Vor zehn Jahren beschlossen die EU-Bildungsminister in Bologna eine einheitliche Studienstruktur mit Bachelor- und Masterabschlüssen in ganz Europa, die diesen Traum Wirklichkeit werden lassen sollte. Doch heute überwiegt vor allem in Deutschland die Kritik. Bei einem Bologna-Folgetreffen am Mittwoch (29.4.) im belgischen Leuven bemühten sich die Minister um Nachbesserungen – vor allem in Sachen Auslandsmobilität.

Die Hauptkritik: Die erste Studienphase bis zum Bachelorabschluss – in Deutschland auf nur sechs Semester zusammengestutzt – gilt als total verschult. An manchen Hochschulen wurden die Inhalte der früheren acht- bis zehnsemestrigen Diplomstudiengänge fast komplett in die neue Studienstruktur gestopft. Dichte Stundenpläne mit Anwesenheitspflicht sowie die Fülle von Praktika und Klausuren lassen vielerorts weder Zeit für Jobben nebenher noch für die Vertiefung des Stoffes. Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, beschreibt die Studiensituation der jungen Menschen in Zeiten von Bologna provokativ mit dem Satz «Wie Hamster im Laufrad…»

Unter diesen Bedingungen sinkt in vielen Fächern die Bereitschaft der Studierenden, bereits in der Bachelor-Phase für ein bis zwei Semester ins Ausland zu gehen. Dabei war Auslandsmobilität gerade eines der Kernziele der Reform. Aber auch innerhalb Deutschlands ist der Wechsel der Universität bisher nicht gerade leichter geworden. Durch starke Ausdifferenzierung und Spezialisierung von Studiengängen innerhalb der klassischen Fächer will es mit der Anerkennung der neuen Studienmodule und des Leistungspunktsystems an manchen Hochschulen immer noch nicht so recht klappen.

Im amerikanischen Bachelor/Master-System, dass für die Bologna- Reform Pate stand, ist die Studienphase bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss (BA) auf acht Semester ausgelegt. Die Magisterphase zur Qualifikation auf wissenschaftliche Berufe (MA) sieht dann in der Regel nur noch ein Jahr vor. In Deutschland sind dies dagegen vier Semester. Auch in England – wie in vielen anderen Bologna-Unterzeichner-Staaten – räumt man den jungen Leuten in der ersten Studienphase mehr Zeit ein. Vorgesehen sind mindestens 7, für spezielle Berufe sogar bis zu 10 Semester. Der Hochschulforscher Ulrich Teichler: «Dort kann man mit dem BA-Abschluss – anders als in Deutschland – auch in jeden höheren Beruf einsteigen.»

Im Bundesbildungsministerium ist man inzwischen offen für eine zeitliche Ausweitung der Bachelor-Studienphase, vor allem wenn ein Aufenthalt im Ausland eingebaut wird. Dies sollte aber von den Hochschulen vor Ort entschieden werden, sagt der Parlamentarische Staatssekretär Andreas Storm (CDU), der Deutschland bei der Konferenz in Leuven vertritt.

Auch ein anderes Problem bei der Bachelor/Master-Einführung in Deutschland gilt als hausgemacht. Laut Empfehlung des Wissenschaftsrates haben BA-Absolventen nicht automatisch Anspruch auf Fortsetzung ihrer Qualifikation in einem Master-Studiengang. Die Hochschulen haben vielmehr das Recht, ihre Studenten dafür nach eigenen Kriterien auszuwählen. Einige Unis verlangen dabei mindestens die Note 2 bis 2,5 auf dem BA-Zeugnis. Andere fordern noch zusätzliche Leistungen oder wollen ganz individuell auswählen. Es gibt bereits erste Klagen gegen Abweisungen in Master-Studiengängen.

Trotz der vielen Image-Kampagnen der Wirtschaftsverbände pro Bachelor halten sich noch immer hartnäckig Zweifel an der Arbeitsmarkt-Tauglichkeit des schnellen Studienabschlusses. Die Aussicht, dass nach dem BA-Abschluss das Studium unter Umständen nicht weiter fortgesetzt werden kann, führt bei vielen Studienanfängern zu Unsicherheit und zusätzlichem Leistungsdruck.