Teilzeit-Ausbildung: Eine Chance für junge Mütter

Lübeck (dpa) – Zum Lernen kommt Vanessa Berg nur nebenbei, beim Kochen oder Aufräumen. Wenn ihre Mitschüler in der Berufsschule Party machen, liest Vanessa ihrem Sohn Malik Geschichten vor und wechselt seinem kleinen Bruder die Windeln.

«Das ist schon ganz schön anstrengend, aber ich weiß ja, wofür ich das auf mich nehme, denn am Ende steht mein Berufsabschluss», sagt die angehende Einzelhandelskauffrau aus Lübeck. Die 22 Jahre alte alleinerziehende Mutter macht eine Teilzeit-Ausbildung, um Familie und Lehre unter einen Hut zu bekommen.

«Ich habe bei der Arbeitsagentur von der Möglichkeit der Teilzeit-Ausbildung erfahren und war sofort begeistert», berichtet Berg. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes Anfang 2008 stand für die junge Frau fest, dass sie einen Beruf erlernen wollte. Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Lübeck bekam sie die Adressen von Betrieben, die Teilzeit-Lehrstellen anbieten. «Ich habe mich dann bei mehreren Betrieben vorgestellt und in meinem jetzigen Ausbildungsbetrieb hat es geklappt», erzählt sie. «Ich hat einen Tag hier zur Probe gearbeitet und ich habe sofort gewusst, dass sie es schaffen wird», ergänzt ihr Chef Rainer Nordhaus, in dessen Aral Center Berg seit August 2008 eine Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel macht.

Die junge Frau ist fest entschlossen, es allen zu zeigen, die behaupten, sie würde früher oder später vor der Mehrfachbelastung kapitulieren. Diese Haltung sei typisch für viele Teilzeit-Auszubildende, stellt die Beraterin der IHK zu Lübeck, Beatrix Hahner, fest. «Sie bringen viel Motivation und Leistungsbereitschaft mit, das wissen auch Ausbildungsbetriebe inzwischen zu schätzen», sagt Hahner. Das kann Nordhaus nur bestätigen, der an seinen drei Tankstellen in Schleswig-Holstein 17 Angestellte und fünf Auszubildende beschäftigt. «Ich würde jederzeit wieder Teilzeit-Auszubildende einstellen, weil sie reifer und verantwortungsbewusster sind. Schulabgänger haben oft noch gar nicht begriffen, was Ausbildung eigentlich bedeutet», sagt er.

Möglich wurde die Teilzeit-Ausbildung durch die Novellierung des Berufsbildungsgesetz im Jahr 2005. Als bundesweit erste Kammern haben sich damals die IHK und die Handwerkskammer Lübeck zusammengetan, um diese Möglichkeit zu etablieren, die nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) gilt. Das Angebot richtet sich an junge Menschen, die wegen der Geburt eines Kindes oder der Pflege von Angehörigen ihre Ausbildung unterbrochen oder noch gar keine begonnen haben. Sie können ihre wöchentliche Arbeitszeit in Abstimmung mit dem Ausbildungsbetrieb auf bis zu 25 Stunden pro Woche reduzieren, ohne dass sich die Gesamtlehrzeit verlängert.

«Das bedeutet natürlich, dass das Ausbildungspensum in deutlich kürzerer Zeit bewältigt werden muss. Man braucht also Zielstrebigkeit und Selbstdisziplin, um das erfolgreich durchzustehen», sagt Hahner. Das kann Berg nur bestätigen. «Der ganze Tag muss durchorganisiert sein, sonst geht es nicht», sagt sie. Rund 280 Verträge für eine Teilzeit-Ausbildung sind seit 2005 in ganz Schleswig-Holstein abgeschlossen worden. Bundesweite Zahlen liegen nicht vor. «Es sind fast ausschließlich Frauen, die sich für diese Möglichkeit entscheiden», sagt Hahner.

Viele Betriebe stehen dem Modell aufgeschlossen gegenüber, weil eine Teilzeit-Ausbildung gut in ihre Betriebsabläufe passt. Auch der DIHK begrüßt das Modell. «Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und unter dem Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf befürworten wir das», sagt der Leiter des Referats Berufsbildungsrecht des DIHK, Steffen Gunnar Bayer. «Da aber die Ausbildung durch die Teilzeitregelung faktisch verkürzt wird, regen wir an, über eine gleichzeitige Verlängerung der Gesamtausbildungszeit nachzudenken.»