Weser oder Ems: Nautik-Studenten üben im Simulator

Bremen (dpa) – In der Deutschen Bucht herrscht reger Verkehr: Fischerboote schaukeln munter auf den Wellen. Voll beladene Gastanker und Containerschiffe kreuzen rechts und links von Kapitän Lars Sleifirs 300 Meter langen und 40 Meter breiten Frachter.

Sleifir lässt die anderen Schiffe keinen Moment aus den Augen. Hochkonzentriert blickt er durch sein Fernglas und gibt dem Steuermann Anweisungen. «Das Radar ist ausgefallen», erklärt er. «Deshalb müssen wir uns an der Beleuchtung der anderen Schiffe orientieren.»

Auf einmal wird es hektisch auf der Brücke. Zwei Seemeilen vor dem Containerriesen taucht ein Gastanker auf. «Der verstößt gegen die Kollisionsverhütungsregeln», schimpft Steuermann Lars Schmidt. Was nun? Nach einer kurzen Diskussion mit dem Kapitän drosselt Schmidt die Geschwindigkeit, um einen Zusammenstoß zu verhindern – was gelingt. Aber selbst, wenn sie das andere Schiff gerammt hätten, einen ernsthaften Schaden hätten sie nicht befürchten müssen. Es hätte nur Ärger mit dem Ausbilder gegeben.

Sleifir und Schmidt studieren Nautik an der Hochschule Bremen. Am Ende des Studiums müssen sie wie jeder der zurzeit etwa 450 Studenten eine Woche im Schiffführungssimulator absolvieren. Dort lernen sie so gut wie jede Schiffsart zu navigieren, die Reiseroute anhand elektronischer Karten zu planen, das Ansteuern von Häfen, An- und Ablegen sowie Lotsen aufzunehmen. Und das täglich mindestens acht Stunden.

«Abends sind die Studenten immer fix und fertig», erzählt der Leiter des Instituts für maritime Simulation und frühere Kapitän, Peter Irminger – ein Schweizer, den nach eigener Darstellung die Abenteuerlust auf See trieb. Aber auch für die Ausbilder seien die Tage im Simulator anstrengend, die sie an einem riesigen Schaltpult im Nachbarraum verbringen.

Auf Knopfdruck können die Dozenten Nebel oder Sturm aufziehen lassen, Tide und Wellengang beeinflussen, das Radar oder GPS abstellen und viele andere Gemeinheiten aushecken. «Wir versuchen hier durchaus realistische Szenarien zu üben, aber auch brenzlige Situationen, die man in der Realität eher vermeiden würde», sagt Irminger.

«Natürlich macht es auch Spaß, den Studenten das Leben ein bisschen schwer zu machen», ergänzt Andreas Teichler, wie Irminger Kapitän a.D. Durch eine Glasscheibe beobachtet der Ausbilder jede Bewegung der beiden jungen Männer, aber niemals greift er in ein Manöver ein. Lob und Kritik spart er sich für das anschließende Feedback-Gespräch auf. «Die Studenten sollen eigene Entscheidungen treffen und aus ihren Fehlern lernen», erklärt Irminger.

Gelegenheiten für Fehler gibt es genug: Etwa 120 verschiedene Schiffstypen können die jungen Leute auf den zwei Übungsbrücken fahren. «Das ist eine ganz schöne Umstellung am Anfang, so als würde man das Auto wechseln», erläutert Schmidt. Als Szenarien stehen ungefähr 40 Häfen und Seegebiete zur Verfügung, beispielsweise die Weser mit Bremerhaven, die Elbe mit Hamburg und Cuxhaven sowie die Ems mit Emden. Aber auch in exotischere Gewässer kann es die Studenten verschlagen: an den Bosporus, nach Jakarta, Bangkok oder Shanghai.

In einer eigenen Abteilung des Instituts lassen fünf Mitarbeiter und etwa zwölf Studenten diese Szenarien am Computer entstehen. Anhand von Luftaufnahmen von Google Earth, selbst aufgenommen Fotos und Seekarten bauen sie die Häfen, Flüsse und Kanäle detailgetreu nach. Das kann bis zu mehrere Monate dauern. Doch der Aufwand lohnt sich auch finanziell: Viele der Arbeiten entstehen im Auftrag von Kunden, die am Institut ihre Losten so realitätsnah wie möglich schulen lassen wollen.

Dadurch habe der Studiengang die zwei bestehenden Brücken im Wert von jeweils zwei Millionen Euro selbst finanzieren können, sagt Irminger stolz. Der Bau einer dritten Brücke werde voraussichtlich noch in diesem Jahr beginnen. Obwohl Sleifir und Schmidt bald ihr Studium beenden, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie ein weiteres Mal in den Simulator zurückkehren: Beide wollen später Lotsen im Hamburger Hafen beziehungsweise an der Unterelbe werden – und die trainieren natürlich an der Bremer Hochschule.