Düsseldorf (dpa) – Es war die Antwort der Universitäten auf die Globalisierung. Studenten sollten mobiler werden, öfter im Ausland studieren und fitter für den Arbeitsmarkt sein.
Der mittelalterliche Titel des Magister sollte dem dynamischen Bachelor und Master weichen. Das waren die Eckpfeiler der europäischen Hochschulkonferenz von Bologna 1999. Am Freitag (19. Juni) ist das genau zehn Jahre her. Nordrhein-Westfalen gilt als Vorreiter des «Bologna-Prozesses», hier gilt die tiefstgreifende Reform in den Hörsälen seit Jahrzehnten als weitgehend abgeschlossen. Doch noch immer gibt es kritische Stimmen, dass das Ziel verfehlt worden sei.
Es gehe immer mehr um «Quantität statt Qualität», kritisiert Johanna Thünker die starke Verschulung des in Deutschland auf drei Jahre komprimierten Bachelor-Studiums im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Sie ist Studentin und Mitglied im Akkreditierungsrat, einem der Gremien für die Einführung und Überprüfung von Studiengängen. Besonders für Geisteswissenschaftler hat sich die Zahl der Prüfungen vervielfacht.
In allen Fächern verpflichten Anwesenheitslisten vermehrt zu vorgeschriebenen Veranstaltungen. «Dabei war die vielzitierte Anwesenheitspflicht ursprünglich gar nicht vorgesehen.» Viele Begriffe der Bologna-Erklärung seien schlicht falsch verstanden worden und die Flexibilität sei auf der Strecke geblieben, sagt Thünker. «Die Leute werden zur Unselbstständigkeit erzogen». Änderungen an den Bachelor/Master-Reformen fordern die Studierenden, die sich in dieser Woche am «Bildungsstreik 2009» beteiligen.
Darüber hinaus werde gerade trotz der Vereinheitlichung ein Studienplatzwechsel durch das neue System nicht erleichtert, sondern eher erschwert, sagt Thünker. «Ein Aufenthalt im Ausland während des BA-Studiums ist ohne Überziehung der Regelstudienzeit kaum möglich.» Auch in Münster klagen Studenten und Dozenten über mangelnde Mobilität. Allerdings versuche die Hochschulleitung bei neuen Studiengänge auf «Mobilitätsfenster» zu achten, sagt Marianne Ravenstein, Prorektorin der Uni Münster. Dies gelte besonders für die 2010 anstehende Prüfung laufender Bachelor-Studiengänge.
«Der Bologna-Prozess hat sehr ambitionierte Ziele», sagt NRW-Innovationsminister Andreas Pinkwart (FDP). «Da können nicht alle Ergebnisse gleich perfekt sein.» Insgesamt komme er zu einem positiven Ergebnis. «Es stimmt aber, dass es für viele Studenten nicht einfach ist, während des Bachelors ins Ausland zu gehen, ohne die Studienzeit zu verlängern.» Die seiner Ansicht nach längst fälligen Reformen müssten sich einpendeln und – wo notwendig – nachgesteuert werden. Außerdem müsse es nicht immer ein Wechsel innerhalb einer Studienphase sein. «Die Schnittstelle zwischen Bachelor und Master ist ein guter Zeitpunkt, um ohne Zeitverlust die Hochschule zu wechseln», meint Pinkwart. Erst Ende April hatte eine neue Konferenz der Universitäten beschlossen, dass bis 2020 jeder fünfte Student künftig Auslandsaufenthalte absolvieren solle.
Axel Freimuth, Rektor der Universität Köln, sieht die Reformen unter dem Strich ebenfalls durchaus positiv: «Die neuen Studiengänge sind vor allem zu Beginn stärker durchstrukturiert. Dann legen wir aber auch weiterhin darauf wert, dass Studieren auch Freiheit der Wahl bedeutet», betont er. «An der Uni Köln bieten wir ein breit gefächertes Angebot an zusätzlichen Lehrveranstaltungen so wie das neu gestaltete Studium Universale.»
Auf die Frage, ob das Niveau des Studiums durch die Reform leide, sagt Freimuth: «Die alten Studiengänge sind mit den neuen nicht zu vergleichen, das hieße Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Der Bachelor ist beispielsweise mit einer Studiendauer von drei Jahren kein Ersatz für das Diplom.» Mit Blick auf die herrschende Kritik sagt er weiter: «Durch die Öffnung der Universitäten müssen wir einem breiten Spektrum der Interessen gerecht werden. Unser Ziel ist es, die Masse an Studierenden ohne Qualitätseinbußen auch in Zukunft gut auszubilden.»