Die NRW-Schulreform

Am Anfang stand die Wahl eines neuen CDU-Landesvorsitzenden. Als Bundesumweltminister Norbert Röttgen im Herbst 2010 zum Nachfolger von Jürgen Rüttgers an der Spitze der NRW-CDU gekürt wurde, mehrten sich die Anzeichen für einen Schulfrieden an Rhein und Ruhr. Im Juli 2011 stand dann der Schulkonsens zwischen Rot-Grün und CDU.

Wir wollen alle Formen, sagte Röttgen im Dezember des vergangenen Jahres in einer bildungspolitischen Grundsatzrede. Wenn es zu neuen Schulformen etwa durch den Zusammenschluss einer Real- mit einer Hauptschule komme, würden die existierenden Schulformen dadurch nicht beseitigt. Keine Schulform dürfe privilegiert werden. Gegen Ideologie in der Schulpolitik sprach sich Röttgen aus. Damit sprach er vielen pragmatischen CDU-Lokalpolitikern aus der Seele.

Der dann von Röttgen mit der rot-grünen Minderheitsregierung ausgehandelte Kompromiss enthält für Regierung und Opposition Schmerzhaftes: Die CDU gab die Verfassungsgarantie für die von der alten Rüttgers-Regierung noch subventionierte Hauptschule auf. Diese Schulform gilt bei Eltern und Bildungsexperten schon lange nur noch als Restschule für Kinder aus einkommensschwachen Familien.

Rot-Grün musste sich von der Vision einer Gemeinschaftsschule für alle Kinder verabschieden. 2015 sollten eigentlich 30 Prozent der weiterführenden Schulen Gemeinschaftsschulen sein. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sprach wohl auch deshalb von Kröten, die beide Seiten hätten schlucken müssen. Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) lobte den Kompromiss, alle Seiten hätten von ihrer reinen Lehre Abstand genommen.

Kompromissmodell Sekundarschule

Das Kompromissmodell heißt nun Sekundarschule: Die neue Schulform umfasst die Jahrgänge 5 bis 10. In den Klassen 5 und 6 lernen alle Schüler gemeinsam, danach kann differenziert oder weiter integriert unterrichtet werden. Die Sekundarschule hat keine eigene Oberstufe, geht aber eine oder mehrere verbindliche Kooperationen mit der Oberstufe eines Gymnasiums, einer Gesamtschule oder eines Berufskollegs ein. 2012/2013 sollen die ersten Sekundarschulen starten. Stadträte haben bereits Beschlüsse dazu gefasst.

Während Kommunalverbände und Bildungsgewerkschaften den Konsens als historisch loben, gibt es auch Kritik – nicht nur von den kleinen Oppositionsfraktionen FDP und Linke. Die Landeselternkonferenz (LEK) teilte bei der Expertenanhörung im Landtag mit: Aus Sicht der LEK handelt es sich hier um einen Gesetzentwurf, der den Mut vermissen lässt, einen guten Schritt in Richtung Zukunftsfähigkeit des Schulsystems in NRW zu gehen. Unter anderem kritisierten die Eltern, dass die Anschlussmöglichkeiten der Schüler nach Beendigung der neuen Sekundarschule nicht gesichert seien.

Auch die Landesschülervertretung zeigte sich enttäuscht und forderte eine radikalere Reform. Bis zur Klasse 10 sollten alle Schüler gemeinsam lernen. Die Selektion der Kinder nach der Grundschule müsse abgeschafft werden, schimpfte die Schüler-Lobby.

Mit dem Landtags-Beschluss vom Donnerstag ist die Debatte über eine Verbesserung der Schulen nicht beendet. Rot-Grün und CDU haben sich allerdings gegenseitig versichert, das gegliederte Schulsystem nun bis mindestens 2023 unangetastet zu lassen.