Eine Stadt will nach oben – «Pakt für Pirmasens» soll Bildungschancen von benachteiligten Kindern verbessern

Wenn es um den «Pakt für Pirmasens» geht, dann steht die 71 Jahre alte Zahire Sevilir in vorderster Reihe. Die
1971 aus der Türkei eingewanderte Frau engagiert sich seit Jahren in dem immer größer werdenden Netzwerk, das die Bildungschancen für Kinder aus sozial schwachen und problematischen Familienverhältnissen verbessern soll.

Im «Pakt für Pirmasens» arbeiten seit 2009 die Stadtverwaltung, Schulen, ehrenamtliche Organisationen und die Wirtschaft zusammen. «Wir wollen etwas bewegen in Pirmasens. Und wir können etwas bewegen», betont Sevilir.

Die Seniorin trägt ihren Teil dazu bei, indem sie etwa Informationsabende organisiert und eine von ihr gegründete Mutter-Kind-Gruppe betreut, die Integrationsprobleme ganz pragmatisch angeht. «Wir haben mit fünf Familien angefangen, mittlerweile haben wir insgesamt 270 Familien im Verteiler», sagt Sevilir. Die Menschen wollten, dass es mit Pirmasens wieder bergauf geht. Die ehemalige Schuhmetropole hat seit Jahren die höchste Arbeitslosenquote in Rheinland-Pfalz – und auch viele Jugendliche haben keinen Job oder Ausbildungsplatz.

Zwtl.: Nur gut ausgebildete Jugendliche haben Chance auf einen Job

Praktisch alle Fäden im «Pakt für Pirmasens» laufen bei Alois Bold zusammen, der die Zusammenarbeit zwischen den Partnern organisiert. Knapp 20 Projekte wurden bislang entwickelt. «Was wir auf die Beine gestellt haben, dürfte kaum mit anderen Initiativen vergleichbar sein», sagt Bold. Oberbürgermeister Bernhard Matheis
(CDU) spricht von einer Bürgergesellschaft, die sich gebildet habe.
«Jeder weiß mittlerweile, dass nur gut ausgebildete Jugendliche die Chance auf einen guten Job haben», sagt er.

Der «Pakt für Pirmasens» unterstützt beispielsweise regelmäßige Pack`s Freizeiten, die vom örtlichen Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) veranstaltet werden. Dabei besuchen Kinder und Jugendliche aus bedürftigen Familien Pirmasenser Vereine und stellen anschließend eine Wunschliste mit ihren Lieblingsvereinen auf, in die sie dann nach Möglichkeit aufgenommen werden.

Zwtl.: Neue Perspektiven eröffnen

«Für viele der Jugendlichen eröffnen sich dadurch ganz neue Perspektiven», sagt Michael Fuhrmann vom CVJM. Weil viele Familien sich beispielsweise nicht die Ausrüstung für den Fußball- oder Tennisverein leisten könnten, sei das oftmals gar kein Thema daheim.
Auf der anderen Seite seien auch die um Mitglieder ringenden Vereine froh, wenn sich Kinder und Jugendliche engagierten.

Ein weiteres Beispiele für das Engagement in Pirmasens ist die Lebensweg-Begleitung. Dabei kümmert sich eine Frau aus der Mittelschicht um eine minderjährige Schwangere und hilft ihr bei der Organisation des Alltags. In der Stadt gibt es mittlerweile 48 Lebensweg-Begleiter, die sich um 340 Kinder kümmern.

Nach Angaben von Bold ist es wichtig, dass die Lebensweg-Begleiter früh Kontakt zu bedürftigen Familien bekommen.
«Nur das ermöglicht den ehrenamtlichen Helfern, möglichst schnell Schwierigkeiten gemeinsam mit den Familien anzugehen.» Die Helfer unterstützen ihre Schützlinge unter anderem dabei, Schulden oder Drogensucht in Griff zu bekommen.

Weitere Hilfe für benachteiligte Kinder und Jugendliche bietet der «Pakt für Pirmasens» mit den Bildungspaten an. Dabei handelt es sich vor allem um Studenten der örtlichen Fachhochschule. Sie helfen Schülern mit Lernproblemen beispielsweise in Mathematik oder Physik.
Weil es sich dabei oftmals um ausländische Studenten handelt, werden gleichzeitig Vorurteile gegenüber Ausländern ausgeräumt.

Die Initiative «Deutschland – Land der Ideen», die von der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft getragen wird, hat den «Pakt für Pirmasens» jüngst als einziges rheinland-pfälzisches Bildungsprojekt ausgezeichnet. Und schon im vergangenen Jahr erhielt das soziale Konzept bundesweite Anerkennung: Zahire Sevilir wurde für ihr soziales Engagement mit dem Deutschen Bürgerpreis 2010 geehrt.