Historischer «Schulfrieden» in NRW – Rot-Grün und CDU einigen sich auf neue Sekundarschule

Nach jahrzehntelangem Streit gibt es einen Schulkonsens in Nordrhein-Westfalen. Die rot-grüne Minderheitsregierung einigte sich am Dienstag mit der CDU-Opposition auf die Einführung einer neuen Sekundarschule.

Damit bleibt es beim gegliederten Schulsystem. Zuvor hatte es wochenlange Geheimverhandlungen gegeben.

«Wir haben einen Schulfrieden für die nächsten 12 Jahre geschlossen», sagte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Bei dem Kompromiss hätten beide Seiten «Kröten schlucken müssen».
Gewinner seien die Schüler, Lehrer, Eltern und Kommunen. NRW habe nun einen «guten und langfristigen Schulkonsens», sagte auch der CDU-Landesvorsitzende Norbert Röttgen.

Hauptschule raus aus Verfassung

Der Plan sieht vor, dass die CDU auf die von ihr geplante Verbundschule verzichtet. Zudem sind die Christdemokraten bereit, die Garantie der Hauptschule aus der NRW-Verfassung zu streichen.
Rot-Grün wird die Gemeinschaftsschule nicht wie geplant umsetzen.
Beide Seiten vereinbarten, dass das gegliederte Schulsystem dann bis
2023 nicht mehr angetastet werden soll.

Die neue Sekundarschule ermöglicht ein längeres gemeinsames Lernen aller Schüler in den Klassen 5 und 6. Dabei sollen auch gymnasiale Standards im Unterricht gelehrt werden. Ab Klasse 7 ist integriertes Lernen weiter möglich. Im Unterschied zur Gemeinschaftsschule wird die Sekundarschule keine Oberstufe haben.
Die neue Schulform soll jedoch mit Gymnasien oder Gesamtschulen kooperieren.

Bereits am Mittwoch (20. Juli) sollen die Grundzüge des Konzepts per Entschließungsantrag im Landtag gebilligt werden. Die Fraktionen von CDU und SPD hatten den Kompromiss jeweils einstimmig bei zwei Enthaltungen verabschiedet. Bei den Grünen gab es ein einmütiges Ja.
Gesetzespläne werden aber erst im Herbst im Landtag beraten. Die neue Sekundarschule könnte dann im Sommer 2012 starten.

«Wir haben es geschafft. Wenn das kein großer Wurf ist, dann weiß ich es nicht», sagte Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne).
CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann sagte, der Kompromiss sorge dafür, dass «es keine Einheitsschule» gibt. Die Christdemokraten hätten viel «CDU pur» durchgesetzt.

Lob für Kompromiss

Das Verhandlungsergebnis erntete viel Lob. «Der Gordische Knoten ist gelöst», sagte der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann.

Wichtig sei, «dass die neue Schulform alle Bildungswege offen hält», sagte der DGB-Landesvorsitzende Andreas Meyer-Lauber. «Dies geschieht durch die gymnasialen Standards und die zwingende Kooperation mit einer gymnasialen Oberstufe.»

«Aufgrund des demografischen Wandels sowie der Veränderungen beim Schulwahlverhalten der Eltern ist eine Flexibilisierung des Schulsystems dringend erforderlich», sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, Bernd Jürgen Schneider. Ein Konsens könne «Rechtssicherheit» für die Kommunen bringen.

An Rhein und Ruhr hatte es seit den 1970er Jahren teils erbitterte Debatten über das Schulsystem gegeben.