Kommunen müssen Kopierkosten von Schülern zahlen

Sachsens Kommunen und Landkreise können künftig für die Kopierkosten von Schülern für den Unterricht zur Kasse gebeten werden.

Das entschied das sächsische Oberverwaltungsgericht Bautzen (OVG) am Dienstag in einem Grundsatzurteil. Das Gericht wies damit eine Klage der Gemeinde Königswartha (Landkreis Bautzen) ab, die von einer Mutter mit zwei schulpflichtigen Kindern Unterrichtskopien bezahlt haben wollte. Die Frau hatte sich geweigert, die Kosten in Höhe von 35 Euro für Kopien zu übernehmen.

Für die Forderung gebe es keine Rechtsgrundlage, teilte das OVG mit. Die Gemeinde könne sich nicht auf das Schulgesetz berufen. Allgemeine Erstattungsansprüche gebe es ebenfalls nicht. Es obliege der Gemeinde als Schulträger, die sachlichen Kosten für den Schulbetrieb, zu denen auch die Lernmittel gehören, zu tragen. Dazu zählten auch Kopien.

Mutter bekam bereits in erster Instanz Recht

Das OVG bestätigte damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dresden. Dieses hatte der Mutter in erster Instanz im vergangenen Sommer Recht gegeben und entschieden, dass die verfassungsmäßige garantierte Lernmittelfreiheit beachtet werden müsse. Der Begriff Lernmittel sei weit auszulegen. Nicht nur Schulbücher, auch Druckwerke wie Kopien, Übungshefte, Atlanten, Lexika und Wörterbücher für den Unterricht seien von der Lernmittelfreiheit gedeckt. Das betreffe auch Taschenrechner, Rechenstäbe oder Werkstoffe, entschied das Verwaltungsgericht.

Gegen die Entscheidung war die Gemeinde Königswartha vor dem OVG in Berufung gegangen. Das nun gefällte Urteil betreffe lediglich Kopierkosten, sagte OVG-Sprecher Peter Kober auf Anfrage. Über die vom VG genannten anderen Lernmittel sei nicht entschieden worden. Zudem betreffe die Entscheidung nur zwei Kinder der Mutter und nicht, wie zuvor berichtet, drei Schüler.

Offen ließ das Gericht, ob es einen gesetzlichen Erstattungsanspruch für die Kopierkosten gibt. Zwar garantiere der Artikel 102 Absatz 4 der sächsischen Verfassung eine Lernmittelfreiheit. Doch darüber sei diesmal nicht zu entscheiden gewesen.

Die Entscheidung dürfte Grundsatzcharakter haben

Beobachter gehen davon aus, dass die Entscheidung Grundsatzcharakter hat. Auf 45 Millionen Euro schätzt der sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) die zusätzlichen Kosten, sollten nicht nur Kopien, sondern auch andere Lernmittel von den Kommunen und Kreisen bezahlt werden müssen. Sollte dies geschehen, will der SSG auf einen Ausgleich vom Land dringen. Dann müssten Freistaat und Kommunen ins Gespräch kommen, sagte SSG-Geschäftsführer Mischa Woitscheck.

Während das Land für die Finanzierung der Lehrer verantwortlich ist, bezahlen die Kommunen die Lernmittel. Das VG Dresden hatte in seiner Entscheidung aber auch erklärt, die Grenzen der Verhältnismäßigkeit und der Leistungsfähigkeit des Staates dürften nicht überschritten werden. Das OVG ließ eine Revision gegen seine Entscheidung nicht zu. Dagegen kann die Gemeinde Königswartha aber Beschwerde einlegen.

Linke-Fraktionschef André Hahn bezeichnete die Entscheidung als ein klares Signal für mehr Bildungsgerechtigkeit. Derzeit müssten Eltern zwischen 50 und 200 Euro pro Kind und Schuljahr für Kopien und andere Materialen ausgeben. Das sei zu viel, sagte Hahn. Die SPD-Bildungsexpertin Eva-Maria Stange sagte, das Urteil sei ein Etappensieg. Es sei zu erwarten, dass weitere Eltern vor Gericht gingen, um auch den obligatorischen Taschenrechner oder Atlas als kostenfreie Lernmittel einzuklagen.

Die Grünen-Bildungsexpertin Annekathrin Giegengack lobte das Durchhaltevermögen der beiden Schüler: Sie hätten wegen der standhaften Weigerung ihrer Mutter in der Schule Spießruten laufen müssen, sagte Giegengack. Das Urteil sei ein unvergessliches Lehrstück in Sachen Demokratie und Rechtsstaat.

Die Bildungsexperten von CDU und FDP, Thomas Colditz und Norbert Bläsner, bedauerten, dass die Rechtslage Interpretationen zulasse. Nun müsse schnell Rechtssicherheit geschaffen werden, sagte Colditz. Es sei politisch nicht zu rechtfertigen, wenn Eltern im Einzelfall ihre Interessen per Gerichtsbeschluss einklagen müssten. Notwendig seien mehr Verlässlichkeit und Transparenz für Eltern sowie landesweit einheitliche Vorgaben. Ähnlich äußerte sich Bläsner.

Die schwarz-gelbe Landesregierung wollte erst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, bevor sie sich äußert.