Neuköllns Schulen stehen wieder ohne Wachschutz da

So schnell die Aktion ins Leben gerufen worden war, so schnell ist sie auch wieder vorbei: Vor dem Neuköllner Albert-Schweitzer-Gymnasium werden künftig keine Ein-Euro-Jobber mehr als Wachschützer eingesetzt.

Die Änderung der Qualifizierungsmaßnahme wurde nicht mit dem Jobcenter abgesprochen, und ich kann diese nicht unterstützen, sagte der Geschäftsführer des Jobcenters Neukölln, Klaus-Peter Hansen, am Dienstag.

Am Montag hatten Teilnehmer der Qualifizierungsmaßnahme Schulstreife auch Aufgaben übernommen, die denen eines Wachschützers sehr ähnlich sind. Die Langzeitarbeitslosen, die ursprünglich nur für die Sicherheit auf dem Schulweg zuständig sein sollten, kontrollierten nun auch Schulgelände und -gebäude. Wir haben immer davon gesprochen, dass unsere Lösung eine Zwischenlösung sein soll, betonte die Neuköllner Bezirksstadträtin Franziska Giffey (SPD).

Dennoch wurde die Regelung, die am Montag begann, am Dienstag schon wieder rückgängig gemacht. Durch die Wachschutz-Aufgaben, die von den Teilnehmern der Qualifizierungsmaßnahme übernommen werden, wird gegen das Gebot der Wettbewerbsneutralität verstoßen, sagte Hansen. Das bedeutet, dass private Sicherheitsunternehmen durch den Einsatz der äußerst kostengünstigen Ein-Euro-Jobber wirtschaftliche Einbußen erleiden könnten. Das verbietet das Gesetz.

Bisher wurden professionelle Wachschützer eingesetzt

Bis zum Jahresende war an 15 Schulen in Neukölln professionelles Schutzpersonal eingesetzt. Da der Bezirk die dafür nötigen finanziellen Mittel in Höhe von 700.000 Euro jährlich nach Giffeys Angaben nicht mehr aufbringen konnte, wurde den Wachmännern gekündigt. Bereits zwei Tage nach Ende der Weihnachtsferien ereignete sich dann ein Zwischenfall am Albert-Schweitzer-Gymnasium: Jugendliche fanden zwei Drogenabhängige blutend und mit Spritzbesteck im Arm auf der Schultoilette.

Angesichts dieses Vorfalls suchte das Bezirksamt nach Alternativen, die Schüler zu schützen. Dabei bin ich auf die Maßnahme ‘Schulstreife’ gestoßen und habe mich mit dem Träger zusammengesetzt, sagte Giffey. Dieser, die Antares IT gGmbH, willigte in der vergangenen Woche kurzfristig ein, die Aufgaben ihrer acht Schützlinge auszuweiten. Schließlich wollten diese später einmal als Wachschützer arbeiten und die Maßnahme soll sie dazu in einem ersten Schritt qualifizieren.

Doch das Experiment stieß auf massive Kritik. Mit der Übertragung der Wachschutzaufgaben an die Ein-Euro-Jobber öffne das Land Berlin wiederholt den Arbeitsmarkt für die Form des Lohndumpings, ließ die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) verlauten. Der bildungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Özcan Mutlu, befürchtete ebenfalls eine Verdrängung regulärer Arbeitsplätze.

Einigung ohne Einbezug des Jobcenters

Darüber hinaus wurde die Notlösung, wie die Bezirksstadträtin das Vorhaben nennt, ohne Einbezug des Jobcenter gefunden. Ich habe erst aus den Medien erfahren, dass die Aufgaben der Teilnehmer ausgeweitet wurden, sagte Hansen, der daraufhin sein Veto eingelegt hatte. Bezirksstadträtin Giffey verteidigte ihr Vorgehen: Es gibt so viele Maßnahmen, dass nicht jede Änderung mit der Leitung des Jobcenters abgesprochen werden kann.

Wie es nun an den Schulen in Neukölln weitergeht, ist indes unklar. Alle Parteien werden sich zusammensetzen und nach einer Lösung für das Problem suchen, sagte Hansen. Dies solle möglichst schnell geschehen, wünscht sich auch die Bezirksstadträtin. Sie hofft noch auf finanzielle Unterstützung vom Land.

Ende Dezember hatten die Fraktionschefs von SPD und CDU, Raed Saleh und Florian Graf, angekündigt, den Bezirken für dieses und kommendes Jahr jeweils 50 Millionen Euro mehr zur Verfügung zu stellen. Sollten wir in Neukölln tatsächlich rund fünf Millionen Euro mehr bekommen, werden wir ab dem kommenden Schuljahr wieder einen professionellen Wachdienst für die Schulen engagieren, sagte Giffey.