Schüler wählen zur Probe

Sorgfältig gefaltet stecken die Schüler ihre Stimmzettel in eine grüne Urne.

Einige von ihnen machen zum ersten Mal ihre Kreuzchen, auch wenn diese für die NRW-Landtagswahl am Sonntag (13. Mai) nicht zählen. Insgesamt 4.000 Kinder und Jugendliche haben sich landesweit an einer Probewahl beteiligt, darunter auch die Schüler der Stephan-Ludwig-Jacobi Realschule in Kalletal (Kreis Lippe).

Sie haben ihre Klassenzimmer in kleine Wahllokale umgebaut und Urnen aus Pappkarton aufgestellt. Mit der U-18-Wahl kämpfen die Bundeszentrale für politische Bildung und der Jugendring, ein Zusammenschluss mehrerer Jugendverbände und Vereine, gegen Politikverdrossenheit. Es ist ein Projekt, das wohl auch so manch erwachsenen Politikmuffel zur Wahl motivieren könnte.

Die Wahlurnen sind inzwischen abgebaut, das Ergebnis steht fest. Die Grünen gewinnen mit 20,3 Prozent der Stimmen. Es folgen SPD (18,1 Prozent), Piraten (17,8 Prozent) und CDU (17,2 Prozent). FDP und Linke wären bei der Probe-Landtagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, ginge es nach der Schülermeinung. Die jungen Menschen sind über das breite Angebot in der Parteienlandschaft informiert, lobt Alexandra Horster, Vorsitzende des Landesjugendrings NRW. Dafür spreche, dass auch etablierte Parteien gewählt worden seien. Mit der U-18-Wahl will sie die Scheu vor der Urne nehmen. Ich glaube, dass die Probewahl die Hemmschwelle senkt, bei einer echten Wahl wählen zu gehen, sagt sie.

Das Parteiengezänk gefällt vielen nicht mehr

Der Jugendring will mit der U-18-Wahl eines verhindern: Mangelnde Mitverantwortung. Ich beobachte eine Skepsis gegenüber der Parteienpolitik, bedauert Horster und geht dabei ausschließlich mit den Wahlberechtigten ins Gericht. Ein Grund sei die komplizierte Landespolitik. Selbst Funktionären bei Jugendverbänden ist oft nicht klar, wie die Entscheidungswege sind, erklärt sie und nennt einen weiteren Grund für Frustration: Von den Parteien hört man viele Versprechungen und am Ende kommt nicht viel bei rum, schimpft sie. Die Enttäuschung ist ihrer Stimme deutlich anzuhören.

Bei der vergangenen Landtagswahl 2010 machten nur 59,3 Prozent der Wahlberechtigten ihre Kreuz. Das ist auch dem Geschäftsführer des NRW-Landesverbandes von Mehr Demokratie, Alexander Slonka, noch gut im Gedächtnis. Das Parteiengezänk gefällt vielen nicht mehr. Wir müssen davon wegkommen, Politik zu stark auf Personen zu konzentrieren, erklärt er. Bedauernd fügt er hinzu: Manche denken auch, dass es sich nicht mehr lohnt, wählen zu gehen, weil eine Partei bereits sehr weit vorne liegt. Vielleicht helfe diesmal die Zuspitzung auf wenige Themen, die Menschen zu mobilisieren, hofft er und drückt für eine hohe Wahlbeteiligung die Daumen.

Piraten locken bisherige Nichtwähler in die Wahllokale

Für mehr Betrieb in den Wahllokalen könnten die Piraten sorgen. Ihr Siegeszug durch die Politiklandschaft ist bislang ungebrochen: In Berlin, im Saarland und in Schleswig-Holstein sind sie bereits in die Parlamente eingezogen. Gerade junge Menschen interessieren sich für die parlamentarischen Neulinge, die im Kern ein freies Internet und einen fahrscheinlosen Öffentlichen Personennahverkehr fordern. Die Piraten profitieren sicherlich von der politischen Unzufriedenheit der Bevölkerung, erklärt Parteienforscher Tim Spier von der Universität Siegen. Gerade in jüngeren Wählerschichten könne die Partei Erstwähler und bisherige Nichtwähler mobilisieren.

Die Piraten verpassten den traditionellen Parteien einen Denkzettel: Sie profitieren vor allem von den Abwanderungen, ist sich Horster vom Landesjugendring sicher. Ob es sich bei der Wahl der Piraten um reinen Protest oder um Überzeugung handele, werde sich erst bei der Landtagswahl 2017 zeigen.

Bei den Schülern der Realschule in Kalletal haben die Newcomer zumindest Interesse geweckt – und das nicht nur für diese Partei, sondern für die Politik an sich. Zur Bundestagswahl im Herbst 2013 werden einige der Schüler alt genug sein, um teilzunehmen. Die Übrigen werden wohl wieder bei einer U-18-Wahl ihre Zettel in die Urnen werfen – damit zumindest bei ihnen keine Politikverdrossenheit aufkommt.