Schule in der DDR – Forscher werten Original-Videos aus

Bei der Erforschung des Unterrichts in der DDR sind Wissenschaftler künftig nicht mehr nur auf Kindheitserinnerungen ehemaliger Schüler angewiesen.

Erstmals zeigen Videoaufzeichnungen aus der DDR, wie der Unterricht damals wirklich war. Ein Forscherteam um den Universitätsprofessor für empirische Bildungsforschung und Bildungstheorie an der Universität Wien, Henning Schluß, hat rund 230 Videomitschnitte der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR (APW) und der Pädagogischen Hochschule Potsdam vor dem Verfall gerettet und vollständig digitalisiert.

«Wie der Unterricht in der DDR wirklich war, ist derzeit ein sehr umstrittenes Thema, da jeder Zeitzeuge individuelle Erinnerungen damit verbindet», sagte Projektleiter Schluß auf dapd-Anfrage in Oranienburg. «Die Videoaufzeichnungen zeigen aber, dass man sowohl nach Lehrplan unterrichten als auch experimentieren konnte.» Mit der Auswertung der 230 Unterrichtsmitschnitte stehen der Forschung nun erstmals auch Aufzeichnungen des Leitfaches der Politischen Erziehung in der DDR «Staatsbürgerkunde» oder außerfachliche Rollenspiele und Lehrerdiskussionen zur Verfügung. Das Forschungsprojekt wurde durch die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur gefördert.

Die Filme sind zukünftig auf dem Internetportal «Fachportal Pädagogik» des Informationszentrums Bildung des Deutschen Institutes für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main abrufbar. Die Rubrik mit den Unterrichtsaufzeichnungen auf dem «Fachportal Pädagogik» wird am Mittwoch im Festsaal des Neuen Rathauses in Leipzig eröffnet. Aus datenschutzrechtlichen Gründen werden die Videoaufzeichnungen jedoch nur zu Forschungszwecken zugänglich sein.

Schimmel auf den Bändern

Bei der technischen Realisierung ist das Projekt auf einige Probleme gestoßen. «Das gesamte Forschungsmaterial ist von akutem Zerfall bedroht», sagte Schluß. Es handle sich um Videoaufzeichnungen aus den siebziger Jahren. Die Technik sei alt und das Material habe sehr gelitten. Aufgrund der schlechten Lagerungsbedingungen habe sich auf einigen Bändern Schimmel gebildet, die sehr zeitintensiv gereinigt werden mussten. «Zum Abspielen der alten Bänder mussten außerdem teilweise sogar Ersatzteile aus den USA eingeflogen werden, weil die alten DDR-Maschinen nicht standardisiert waren», sagte Schluß weiter.