Krisenbewältigung als Studienfach

Unglücke wie die des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia verfolgt Nils Lapp genau. Der 24-jährige Student ist angehender Sicherheitsmanager.

Katastrophen zu bewältigen, wie die vor der italienischen Küste, lernt er an der Hochschule Bremerhaven im Studiengang Integrated Safety and Security Management (ISSM). Ein am Donnerstag in Betrieb genommenes Lage- und Führungszentrum der Hochschule dient der Simulation von großen Unglücken, um Studenten für künftige Kriseneinsätze fit zu machen.

Die Karte an der Wand ist voller Markierungen: Sammelpunkt hier, Verletztensammelstelle da. Die Feuerwehr hat sich ein Szenario ausgedacht, wonach vor wenigen Minuten auf dem Weihnachtsmarkt bei einem Sturm Bäume auf ein Festzelt mit 220 Personen gefallen sind. 120 Menschen werden vermisst. Es ist schon anstrengend, solche Situationen zu managen, sagt Nils Lapp.

Der fertige Logistiker ist einer der Studenten, die in dem kleinen Aufbaustudiengang ihren Masterabschluss erlangen wollen. Bei der Katastrophensimulation ist er Leiter des Einsatzstabes. Das macht auch Spaß, räumt er ein. Aufgabe des gebürtigen Kölners, der nach seinem Logistikstudium von Berlin in die Seestadt wechselte, ist es, sich ein Lagebild zu verschaffen und die Einsatzkräfte zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort zu beordern. Dabei muss er sich mit den anderen Stabsstellen koordinieren, die zum Beispiel Personal oder Öffentlichkeitsarbeit betreuen.

Das Lage- und Führungszentrum der Hochschule ist etwas besonderes. Es gibt zwar mehrere Sicherheitsstudiengänge, aber keine Hochschule hat einen solchen Raum, sagt Professor Wolfgang Schwanebeck. Nicht nur, dass die Studenten hier realistisch üben können – die Einrichtung ist auch autark, sodass die Bremerhavener Feuerwehr in echten Notfällen auch hierher ausweichen könnte.

Krisenpläne für Unternehmen erstellen

Die Ausbildung beschäftigt sich nicht nur mit der öffentlichen Sicherheit, sondern auch mit Krisenplänen für Unternehmen. Wir arbeiten mit Windkraftunternehmen zusammen, dazu auch mit einer Chemiefirma und weiteren Partnern, sagt Schwanebeck. Bestehende Katastrophenpläne werden analysiert und Verbesserungsvorschläge unterbreitet.

Zudem steht die Arbeit in den Krisenstäben auf der Tagesordnung der Studenten. Hier sollen sie üben, sich in Stresssituationen zu bewähren. Das ist nicht immer einfach, sagt der designierte Professor Frank Reininghaus. Ein Chemieunfall stand schon auf dem Stundenplan sowie ein stadtweiter Stromausfall.

Auch die Kollision eines Passagierschiffes mit einem kleineren Fahrgastschiff vor Sylt wurde bereits simuliert. Das ist sehr ähnlich gelaufen wie aktuell bei der ‘Costa Concordia’, sagt Reininghaus. Auch Student Lapp fühlt sich daran erinnert. Ich vergleiche schon, was wir hier tun würden und wie das Krisenmanagement dort läuft. Wie ein solches Szenario in Deutschland abgewickelt würde, kennt er: Neben der Feuerwehr und der Polizei ist auch das in Cuxhaven ansässige Havariekommando an der Ausbildung beteiligt.

Im Moment aber ist er fiktiv mit der Suche nach den 120 vermissten Menschen beschäftigt, die im Festzelt liegen sollen. Ich habe zum Glück Vorerfahrungen von der Freiwilligen Feuerwehr, erzählt er. Sein Berufsziel ist klar: Ich will in den höheren Dienst der Feuerwehr. Sein nächster Schritt dahin wird die Masterarbeit sein, die sich mit der Behörde beschäftigen wird.