Magdeburger Hochschule lehrt Gebärdensprache

Magdeburg (dpa) ­ Martina Heubaum spricht mit den Händen. Schnell formt sie ihre Hände zu Zeichen und Gebilden, berührt manchmal ihren Kopf oder ihren Oberkörper. Immer wieder kommen aus ihrem Mund schnalzende Laute.

Die 25-Jährige spricht in Gebärdensprache, obwohl sie hören kann. Sie studiert an der Hochschule Magdeburg-Stendal Gebärdensprachdolmetschen und ist im vierten Semester. Heute übersetzt sie in einem Seminar einen Vortrag über eine Basteltechnik, den eine Kommilitonin hält. Die anderen acht Studenten nehmen Heubaum genau unter die Lupe, formen manchmal selbst Gebärden und schmunzeln hin und wieder. Alle haben ein Ziel: Sie wollen später eine Hilfe für rund 80 000 Gehörlose in Deutschland sein.

Sieben Semester beträgt die Regelstudienzeit für den Bachelor- Studiengang. Interessenten sollen Vorkenntnisse etwa aus dem familiären Bereich oder der Volkshochschule mitbringen. Auch ein Vorbereitungskurs wird angeboten. «Wir waren 1997 die erste Hochschule mit diesem Angebot», sagt Dozentin Regina Leven, die vor rund zehn Jahren maßgeblich am Aufbau beteiligt war. Die 51-jährige Professorin aus Krefeld hat selbst viele Jahre als Dolmetscherin für Gehörlose gearbeitet und kennt die Alltagssorgen. «Menschen, für die die Welt stumm ist, haben ganz andere Anforderungen und Perspektiven», sagt Leven. Eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist schwer und voller Stolpersteine.

Einer, der die Studenten bei ihren Dolmetschübungen sehr genau beobachtet, ist Peter Schick. Der Dozent kann – wie auch schon seine Eltern – nichts hören und ist auf Handzeichen angewiesen. Er gibt ihnen wertvolle Tipps. «Wichtig sind Emotionen», gebärdet der 44- jährige Berliner in die Runde. «Der Gehörlose muss wissen, ob der andere wütend, enttäuscht oder fröhlich ist. Das muss der Dolmetscher zweifelsfrei vermitteln.» Er ist froh, dass es den Studiengang gibt. Deutschlandweit wird er nur noch an der Universität Hamburg und der Hochschule Zwickau angeboten.

Gelehrt wird die Deutsche Gebärdensprache (DGS) an der Magdeburger Hochschule ausschließlich von drei gehörlosen Dozenten. Das eigentliche Dolmetschen wird von Hörenden und Gehörlosen gleichermaßen vermittelt. Auch Dialekte sind in der Gebärdensprache ein Thema. «Wenn man in einer Region lange lebt, lernt man für bestimmte Ausdrücke bestimmte Gesten», sagt Leven. «Die können aber wiederum nur von Einheimischen verstanden werden.»

In einem Rollenspiel soll Heubaum dann zwischen zwei Hörenden und einem Gehörlosen vermitteln. Eine anstrengende Situation für die junge Frau aus der Nähe von Erfurt. «Wir müssen Laut- und Mundbild kombinieren, damit einzelne Wörter auseinandergehalten werden können», sagt die 25-Jährige. So haben zum Beispiel «Technik» und «Politik» das gleiche Handzeichen und können nur mittels Schnalzlaut unterschieden werden. In einer solchen Gesprächssituation muss sie für beide abwechseln dolmetschen.

Später möchte die Thüringerin freiberuflich arbeiten. Sie möchte Gehörlose durch eine stille Alltagswelt begleiten und ihnen unter anderem beim Arzt, in der Bank oder beim Elternabend helfen. Nach Auskunft des Bundesverbandes der GebärdensprachdolmetscherInnen gibt es deutschlandweit rund 550 Übersetzer für Gehörlose, 400 davon sind in dem Verband organisiert. «Bei rund 80 000 Betroffenen kann jeder sehen, dass hier etwas nicht passt», sagt die Verbandsvorsitzende Susanne Günther-Wick.