Wanderführer

Wie werde ich Wanderführer?

Beruf Wanderführer

Das Schlimmste, was einem Wanderführer passieren kann, sind Gäste in Badelatschen, Dauernörgler und eine Leiche auf dem Weg. Genau die findet Gunter mit seiner Wandergruppe im «Tatort Mallorca», einem Kriminalroman, der im Südwesten der Insel spielt.

Natürlich ist alles frei erfunden, versichert die Autorin Barbara Ludwig aus München. Bis auf den Wanderführer, der im wirklichen Leben Gundolf heißt und seit zehn Jahren auf Mallorca lebt und arbeitet.

Sein Auskommen als Reiseleiter und Wanderführer hat sich der Deutsche hart erarbeitet. Zuerst übernahm er Gästeführungen per Kleinbus, dann Wandertouren für einen kranken Kollegen. «Man muss sehr gut mit Menschen umgehen können», sagt er. Das Wissen über Sicherheitsfragen, Vegetation oder Wetterkunde hat sich Gundolf selbst angeeignet, ebenso wie er 35 Touren aus einem gedruckten Führer allein erwanderte: «Eine Qualifikation in Form von Studium und Prüfung gibt es hier für den Beruf Wanderführer nicht.»

Das ist hierzulande nicht viel anders: Zwar kennt man in Deutschland staatlich anerkannte Wanderführer, in der Regel sind das aber ehrenamtliche Helfer. So haben die deutschen Wander- und Gebirgsvereine bereits mehr als 4000 ehrenamtliche Wanderführer ausgebildet und zertifiziert. Die Nachfrage ist groß und geht über das Ehrenamt hinaus, erklärt Gunter Schön, Wanderwart des Deutschen Wanderverbands in Kassel. Der Experte, der in Seewald-Besenfeld zu Hause ist, bildet an Volkshochschulen zum «Schwarzwald Guide» und für die Heimat- und Wanderakademie Baden-Württemberg zum Wanderführer aus.

Weitere Akademien unterhält der Wanderverband in Thüringen und im Sauerland. Jede Ausbildung umfasst mindestens 80, häufig sogar 120 Stunden, wenn wie in Thüringen gleichzeitig der Übungsleiterschein im Sport oder in Sachsen und Baden-Württemberg auch das Zertifikat zum Natur- und Landschaftsführer erworben wird.

Die Grundinhalte reichen von der Beschäftigung mit der richtigen Ausrüstung, Ernährung und Bekleidung über Kartenkunde und Nutzung des Navigationssystem GPS bis zur Umwelterziehung. Von den künftigen Guides wird ein Erste-Hilfe-Kurs ebenso erwartet wie die Teilnahme an kulturgeschichtlichen Führungen in der Region, in der sie aktiv werden wollen.

Bis vor kurzem qualifizierte der Wanderfachwart ausschließlich Mitglieder der Gebirgs- und Wandervereine. «Jetzt sind wir für alle Interessenten offen», erklärt Schön, «und haben schon Hoteliers, Mitarbeiter von Tourismus-Zentralen oder Schutzgebieten ausgebildet.»

Die Nationalparks sind eine gute Anlaufstelle für alle, die Wanderführungen tatsächlich zu ihrem Beruf machen wollen. Wer keine Festanstellung in einem Schutzgebiet findet, muss sich gut selbst vermarkten können, um als Freiberufler sein Geld zu verdienen. «Kräuterpädagogen können sich im ländlichen Tourismus sehr gut eine wirtschaftliche Nische aufbauen», sagt Horst Frese, Leiter der Natur- und Umweltschutzakademie NUA in Recklinghausen. Solche Vertiefungsmodule sind für Zertifizierte Natur- und Landschaftsführer, für die auch die NUA ausbildet, in Planung.

Egal, wie gut und wie zahlreich die Zertifikate sind, mit denen sich die Guides schmücken: Solange es kein Ausbildungsberuf ist und es kein einheitliches Berufsbild gibt, wird es den Wanderführern auch an gesellschaftlicher Anerkennung fehlen, befürchtet Ingrid Schwoon, Sprecherin im Bundesverband der Gästeführer in Deutschland BVGD. Der Verband hat ein neues Ausbildungssystem verabschiedet, das der im Januar 2008 verabschiedeten Europäischen Norm entspricht. Es setzt mindestens dreijährige Praxis und regelmäßige Fortbildung voraus, auch zu Themen wie Recht, Steuern, Versicherungen und Rhetorik.

Der BVGD vertritt 4500 Mitglieder, davon zwei Drittel Frauen, aber nur die allerwenigsten können von der Gästeführung leben. «Viele machen das nebenberuflich», sagt Schwoon. Verkehrt sei es aber, den Beruf als Hobby abzustempeln: «Wir professionalisieren uns immer weiter.» Schwoon selbst ist Stadtführerin in Hildesheim. Für eine zweistündige Führung bekommt sie 60 Euro, von der sie noch eine Provision von 25 Prozent an die vermittelnde Tourist-Information abführen muss, und selbst die Trinkgelder sind steuerpflichtig. Ihre Kollegen in Berlin verdienen das Doppelte: «Je touristischer, je besser die Chancen.» Insofern hat der Wanderführer auf Mallorca eben doch die besseren Karten.
 

Quelle: dpa