An der Uni gefragt – in der Schule gemieden

Berlin (dpa) – An Universitäten und Fachhochschulen sind die Naturwissenschaften gefragt: Ein Drittel aller Hochschulabschlüsse werden in Deutschland in natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen oder in Mathematik gemacht.

Doch in den Schulen führen Biologie, Chemie und Physik eher noch ein Schattendasein. Dies zeigt eine Untersuchung einer Gruppe von Bildungsforschern um Isabell van Ackeren (Mainz) und Klaus Klemm (Essen) aktuell zum PISA-Schwerpunkt Naturwissenschaften. Danach sind selbst Lehrer, die diese Fächer unterrichten, nicht immer vom Stellenwert ihrer Disziplin für die Allgemeinbildung überzeugt.

Anders als in Deutschland studiert im Schnitt der 30 wichtigsten Industriestatten nur ein Viertel der Studenten naturwissenschaftliche Fächer, in den USA sogar nur 17 Prozent. Mit seiner hohen Zahl von Studienabschlüssen in diesen Disziplinen belege Deutschland damit international einen Spitzenplatz, heißt es in der Studie «Naturwissenschaften in Deutschlands Schulen und Hochschulen». Die Bildungsforscher tragen darin eine Reihe von Daten und Fakten zum Stellenwert dieser Fächer im deutschen Bildungssystem zusammen.

So hatten der Studie zufolge zum Beispiel in den Grundschul- Lehrbüchern physikalische, chemische und technische Inhalte zu Beginn der 70er Jahre noch einen Anteil von etwa 30 Prozent. Ende der 90er Jahre waren dies nur noch sieben Prozent.

In den Schulklassen fünf bis zehn liegt der Anteil von Biologie, Chemie und Physik mit zehn Prozent des Unterrichts zwar genau im Schnitt der anderen Industriestaaten. Gleichwohl blieben die drei Fächer zusammen etwa im Vergleich zu einem Mathematik-Anteil von 16 Prozent «eher randständig». Auch in den gymnasialen Oberstufen finden Chemie und Physik wenig Zuspruch: Ende der 90er Jahre belegten nur zwischen 7 Prozent (Nordrhein-Westfalen) und 14 Prozent (Sachsen- Anhalt) der Schüler Physik-Leistungskurse.

Auch bei den neuen Vergleichsarbeiten oder zentralen Abschlussprüfungen würden diese Fächer «gar nicht oder nur ganz vereinzelt» berücksichtigt. Diese Geringschätzung spiegele sich auch in Interviews mit Gymnasiallehrern wieder. Auf die Frage, welche Fächer aus ihrer Sicht für die Allgemeinbildung bedeutsam seien, tauche nach Deutsch, Englisch, Mathematik und Geschichte die Biologie erst an fünfter Stelle auf – gefolgt von Physik. Selbst Lehrer, die naturwissenschaftliche Fächer unterrichten, hätten diese Rangfolge angegeben.

Umso überraschender sei es, dass sich trotz der eher geringen Bedeutung der Naturwissenschaften in den Schulen überdurchschnittlich viele junge Menschen für ein entsprechendes Fachstudium entschieden. Dass es auf dem Arbeitsmarkt heute dennoch einen Mangel an Ingenieuren und Naturwissenschaftlern gebe, sei darauf zurückzuführen, dass die Bundesrepublik insgesamt zu wenig Studierende habe: In Deutschland erreichen nur 20 Prozent eines Jahrgangs einen Hochschulabschluss, im Schnitt der anderen Industrienationen hingegen 36 Prozent. Mehr Nachwuchskräfte in den Naturwissenschaften lassen sich aus Sicht der Autoren weniger durch einen noch größeren Studentenanteil in diesen Fächern, sondern eher durch eine Steigerung der Studentenzahlen insgesamt erreichen.