Bio-Lebensmittel-Studenten sind auf dem Markt begehrt

Stuttgart (dpa) – Der Bio-Boom in Deutschland hat eine Menge kleiner Pflänzchen hervorgebracht. Eines davon wächst an der Universität Hohenheim in Stuttgart und gedeiht prächtig.

Der Master-Studiengang «Organic Food» (Bio-Lebensmittel) lockt seit 2005 Studenten aus aller Welt an. Aus gutem Grund: «Die Firmen kommen sogar auf uns zu, weil sie Leute suchen», sagt die Uni-Koordinatorin für ökologische Landwirtschaft, Sabine Zikeli. Von den ersten sechs Absolventen, die seit Oktober ihr Master-Diplom in der Tasche haben, sind vier bereits in festen Anstellungen.

Außer in Hohenheim gibt es ähnliche Studiengänge nur in Eberswalde (Brandenburg) und Witzenhausen bei Kassel (Hessen). Alle haben eine leicht unterschiedliche Ausrichtung. In Hohenheim ist es die «Holistic», der ganzheitliche Ansatz – vom Feld bis auf den Teller. Acht Pflichtmodule stehen bei der zweijährigen Ausbildung auf dem Plan. Unterrichtet wird alles über die Reglementierung, Produktion, Verarbeitung und Vermarktung von Öko-Lebensmitteln, und zwar ausschließlich auf Englisch.

«Die breite Aufstellung und die Internationalität machen dieses Studium besonders», schwärmt die 25-jährige Johanna Schüßler nach dem ersten Jahr. Ihr Jahrgang ist mit 31 Studenten der bislang größte. Als Deutsche ist sie in der Minderheit. Vor den insgesamt 79 Studierenden kommen rund 30 Prozent aus Deutschland, 43 Prozent aus Australien und – vor allem – Asien. Dass allein sieben Studenten aus Nepal stammen, ist eher verwunderlich, aber Zikeli hat eine Erklärung: «Sie kennen sich alle untereinander.» Die Mund zu Mund Propaganda funktioniert.

Für Hsinnie Ho aus Malaysia war Deutschland die Wunschadresse: «Der Öko-Markt ist führend in Europa», sagt die 23-Jährige. Sie findet es gut, dass die deutsche Uni «das ganze Geld für das ökologische Studium ausgibt» und nicht – wie sie es aus Australien kenne – einen noblen Campus finanziere. Gern würde sie nach Ende der Ausbildung in Europa bleiben. Mehmet Ali Meral (25) möchte mal in einer Öko-Kontrollstelle in seiner türkischen Heimat arbeiten, um dort für Bio-Lebensmittel werben. Ob er das für aussichtsreich halte? «Sicher, ich habe doch gute Argumente. Die Gesundheit zum Beispiel.»

Die Studenten wissen oft schon früh, was sie wollen. Die Ziele sind aber durchaus unterschiedlich. Mehrere deutsche Studenten können sich gut vorstellen, im Verbraucherschutz zu arbeiten. Ansonsten stehen Posten in Öko-Kontrollstellen und in Lebensmittel-Firmen hoch im Kurs. Einen klassischen Bio-Bauernhof wollen dagegen die wenigstens führen. Zikeli: «Es ist auch recht schwer, einen Bauernhof zu übernehmen, wenn man nicht hineingeboren wurde.»

Mit dem Studiengang hat die Uni Hohenheim der hohen Nachfrage nach Öko-Lebensmitteln Rechnung getragen. Laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) betrug das Umsatzvolumen für Bio-Produkte im Jahr 2006 insgesamt 3,6 Milliarden Euro. Damit lag es um satte 18 Prozent höher als im Jahr davor. Auch für 2007 rechnet die BLE mit einem zweistelligen Umsatzplus. Zikeli: «Es gibt eine Prognose, nach der Bio-Produkte eines Tages zehn Prozent des Lebensmittelmarktes ausmachen werden.» Ein Grund dafür sei der Einstieg der Discounter. Schon jetzt gehörten Aldi und Plus zu den größten Abnehmer von Bio-Eiern, -Kartoffeln und -Möhren. Die Wissenschaftlerin sieht das pragmatisch: «Dadurch haben mehr Leute Zugang zu Bio.»

Nach wie vor gibt es aber viele, die es lieber mit den klassischen Öko-Anbietern halten, weil diese sich höhere Einschränkungen auferlegen, als es die EU fordert. Zu den Verfechtern der traditionellen Linie gehört Schüßler, die damit manchmal aufgezogen wird: «Sie nennen diese Haltung Hardcore», sagt sie schmunzelnd. Sorgen, dass durch die Discounter das Image der Bio-Lebensmittel Schaden nehmen könnte, haben die Hohenheimer weniger. Vielmehr sind sie überzeugt: Aus ihrem kleinen Pflänzchen wird sicher einmal ein stattlicher Baum.