Immer mehr «Studiengebühren-Flüchtlinge» im Norden

Kiel (dpa/lno) – Hochschulgebühren in anderen Bundesländern treiben immer mehr Studienanfänger nach Schleswig-Holstein. Das berichtet die landesweit einzige Voll-Universität in Kiel.

In der Fördestadt habe sich die Zahl dieser «Studiengebühren-Flüchtlinge» zum ersten Semester innerhalb von zwei Jahren von 484 auf 835 nahezu verdoppelt, erklärte die Uni. Der Anteil der Erstsemester aus Bundesländern mit Studiengebühren sei auf knapp 25 Prozent gestiegen. Damit begannen fünf Prozent mehr «Flüchtlinge» in Kiel ein Studium als vor einem Jahr. Schleswig-Holstein ist eines der letzten westdeutschen Bundesländer, wo noch gebührenfrei studiert wird. Insgesamt lernen und forschen in Kiel 22 000 Menschen.

Auf dem Campus der Kieler Christian-Albrechts-Universität tummeln sich seit Semesterbeginn auffallend viele Niedersachsen. 416 Erstsemester haben ihre Heimat verlassen und sich oft aus finanziellen Gründen zur Ostseeküste aufgemacht. Auch einige ältere Semester sahen sich durch die Gebühreneinführung in Niedersachsen mitten im Studium zum Wechsel gezwungen. Nur in Rheinland-Pfalz, Bremen, Berlin und ostdeutschen Bundesländern sind neben Schleswig- Holstein derzeit noch keine allgemeinen Studiengebühren vorgesehen.

«500 Euro pro Semester und damit 1000 Euro im Jahr sind verdammt viel Geld», sagt ein 30 Jahre alter Student. Er kehrte Göttingen 2006 den Rücken. «Die Studiengebühren waren mit ausschlaggebend». In Kiel studiert er Chemie, Deutsch und Philosophie auf Lehramt, der Ortswechsel tue aber auch gut. Einen Haken hat die Sache allerdings: «Meine Beziehung ist durch den Wegzug aus Göttingen gescheitert.» Andere Neu-Kieler sagen, dass nicht nur das gebührenfreie Studium, sondern auch die besonderen Möglichkeiten – wie der gute Ruf bei den Meereswissenschaften – den Ausschlag pro Kiel gegeben hätten.

Währenddessen ist der Anteil der Schleswig-Holsteiner bei den Kieler Erstsemestern auf 62 Prozent gesunken. 13 Prozent der insgesamt 3700 Studienanfänger kommen aus Bundesländern, wo ebenfalls keine Gebühren erhoben werden. «Wir freuen uns natürlich, dass sich nun noch mehr junge Leute aus ganz Deutschland für Kiel entscheiden», sagt Rektor Prof. Thomas Bauer. «Ich nehme allerdings nicht an, dass es sich primär um &Studiengebührenflüchtlinge& handelt.»

Da Kiel mit einzelnen Fachbereichen Teil der Exzellenzinitiative sei, hätten sich viele Studenten sicher auch aus Qualitätsgründen für Kiel entschieden, sagt Bauer. Und er führt noch einen ganz besonderen Vorteil ins Feld: «Das hängt sicher auch mit Kiels günstiger Lage an der Ostsee zusammen.»