Chemnitz (dpa) – Noch einmal greift Holger Rathaj zur Pinzette und zupft das Federkleid des Papageien zurecht. Dann nickt der Chemnitzer Tierpräparator zufrieden. Der Vogel soll sein Prachtexemplar bei der Weltmeisterschaft (22. bis 24. Februar) im österreichischen Salzburg sein.
Mit weiteren drei Papageien will er die Juroren beeindrucken. Erstmals nimmt der Präparator des Chemnitzer Naturkundemuseums an dem Wettbewerb teil. Mehr als 100 Konkurrenten aus 20 Nationen haben sich ebenfalls angemeldet. «Ich bin eher Außenseiter», meint der 42-Jährige. Sein Hauptziel sei es, neue Erfahrungen zu sammeln und Kontakte zu knüpfen. «Auch nach mehr als 20 Jahren im Beruf kann man immer noch etwas lernen.»
Rathaj hat sich entschieden, mit seinen vier Papageien in den Wettbewerb zu gehen. Dabei hätte er auch den erst vor kurzem ausgestopften Bären Taps aus dem Chemnitzer Museum mitnehmen können. Oder die Tiger und Löwen, die er schon ausgestopft hat und die zu den beliebtesten Exponaten der Ausstellung zählen. «Bei Vögeln zeigt sich die ganze Kunst der Tierpräparation», erklärt Rathaj. «Da muss jede Feder hundertprozentig genau sitzen, sonst sieht es schlecht aus.» An einem Vogel könne man sofort gute und schlechte Präparatoren voneinander unterscheiden.
Nicht der Tod, sondern das Leben fasziniere ihn an seinem Beruf, meint der 42-Jährige. «Wir Präparatoren wollen die Tiere dauerhaft in ihrer Schönheit für die Nachwelt erhalten.» Und so stellt Rathaj praktisch Tag für Tag das Leben wieder her, zumindest als Standbild. Künstlerische Begabung und handwerkliche Fertigkeiten brauche ein Präparator, erzählt der Ingenieur für zoologische Präparation.
«Unverzichtbar für Naturkundemuseen sind eigene Präparatoren», sagt Museumschef Ronny Rößler. «Sie sind Ansprechpartner für Besucher, gestalten Ausstellungen und helfen ganz entscheidend mit, die Natur und deren langfristige Veränderungen für die Wissenschaft zu dokumentieren und originale Sachzeugen für künftige Generationen zu bewahren.»
Nicht ein bei Rathaj abgegebenes totes Tier wird abgelehnt. Selbst die hundertste Amsel wird zunächst fein säuberlich in einen Plastikbeutel gesteckt, mit dem Datum des Fundes sowie Angaben zum Fundort versehen und dann zunächst eingefroren. «Rund 2500 Tiere liegen derzeit bestimmt in meinem Eisschrank», sagt Rathaj. Platz sei noch für mindestens doppelt so viele. Seit dem Auftreten der Vogelgrippe freilich sei ein deutlicher Bruch aufgetreten. «Vor fünf Jahren haben uns die Leute jedes Jahr gut 400 Vögel gebracht.» Heute bekomme er vielleicht noch 40. Diese Entwicklung sei für die Dokumentation problematisch.
Die Methode bei der Präparierung ist immer gleich. Die Haut der Tiere wird gelöst. Das Fleisch wird danach nicht einfach weggeworfen, sondern dient zunächst als Vorbild für die Modellierung aus Ton, Gips oder Schaumstoff. Wie ein Bildhauer modelliert Rathaj dann den Körper der Tiere nach. Danach wird die Original-Haut auf das Modell aufgezogen und zugenäht, ehe es an die Feinarbeiten geht.
Rathaj ist in Chemnitz eine Publikumsattraktion. Mehrere Male im Jahr verlegt er sein Arbeitszimmer mitten ins Museum, um den Besucher sein faszinierendes Handwerk zu demonstrieren. Hunderte Besucher kommen dann jedes Mal und staunen. Einen ähnlichen Effekt erhofft sich Rathaj mit seinen Papageien in Salzburg.