Bonn (dpa/tmn) – Dass Arbeitnehmer ins Büro oder in die Werkhalle gehen, obwohl sie sich «richtig krank» fühlen, ist keine Seltenheit. Fast zwei Drittel der Beschäftigten gaben in einer repräsentativen Umfrage an, dies sei bei ihnen im vergangenen Jahr vorgekommen.
Außerdem erschien dritte Arbeitnehmer gegen die Empfehlung des Arztes mit gesundheitlichen Beschwerden am Arbeitsplatz, ergab die Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) in Bonn.
Gleichzeitig gehen die Krankenstände kontinuierlich zurück. So sank bei den rund 9 Millionen erwerbstätigen AOK-Mitgliedern der Krankenstand im Jahr 2006 von durchschnittlich 4,4 Prozent auf 4,2 Prozent. Das war der niedrigste Wert seit mehr als zehn Jahren.
Die Zahl der Krankmeldungen ging 2006 im Vergleich zum Vorjahr genauso zurück wie die Zahl der krankheitsbedingten Ausfalltage. Dagegen stieg der Anteil der Beschäftigten, die das ganze Jahr überhaupt nicht krankgeschrieben waren, von 48,5 Prozent auf 50,7 Prozent. Durchschnittlich waren die AOK-Mitglieder 15,4 Kalendertage krankgeschrieben. Genau 16 Tage waren es ein Jahr zuvor.
Große Unterschiede gibt es allerdings je nach Branche. Die niedrigsten Ausfallzeiten gab es mit 2,7 Prozent im Kreditgewerbe sowie mit 2,2 Prozent in der Datenverarbeitung. Die höchsten Ausfallzeiten verzeichneten mit 6,1 Prozent die Abfall- und Abwasserbeseitigung sowie die Metallerzeugung und -bearbeitung, die Tabakverarbeitung und die Recyclingbranche (jeweils 5,2 Prozent).
Mehr als neun von zehn Arbeitnehmern (93 Prozent) gehen der Studie zufolge auch dann zur Arbeit, wenn es ihnen «nicht so gut geht». Erkrankungen wie eine leichte Erkältung oder Kopfschmerzen sind für 77 Prozent kein Grund, zu Hause zu bleiben. Unter den erwerbstätigen Frauen ist der Anteil derer, die trotz Krankheit zur Arbeit gehen, deutlich höher (64,4 Prozent) als unter den Männern (58,9 Prozent). Das gilt auch für den Anteil der Frauen, die entgegen den ausdrücklichen ärztlichen Rat zur Arbeit gingen. Viele Frauen, insbesondere alleinerziehende und chronisch kranke, stünden im Arbeitsleben offenbar noch mehr unter Druck als Männer, so das WIdO.
Hohe Arbeitsbelastung (48,5 Prozent) und die Angst um den Arbeitsplatz (30,2 Prozent) wurden als häufigste Gründe für das Arbeiten trotz gesundheitlicher Probleme genannt. Weitere waren Verantwortung und Pflichtgefühl (13,3 Prozent), das Vermeiden von Ärger mit Kollegen (11,5 Prozent) und Probleme mit dem Arbeitgeber bei Krankmeldungen (9,2 Prozent). Eine Mehrzahl der Beschäftigten hat der Umfrage zufolge Angst vor beruflichen Nachteilen, falls sie sich zu häufig krankmelden. Viele verzichteten auf die Krankschreibung und kurierten sich stattdessen am Wochenende aus.