Abi mit 49: «Ganz neue Dinge in Angriff nehmen»

Koblenz/Mainz (dpa) – Als Anette Metz vor ein paar Jahren eine Werbung für das Abitur an der Abendschule las, fühlte sich die heute 49-Jährige sofort von dieser Idee angesprochen.

«Ich hatte in meinem Beruf keine großen Aufstiegschancen mehr und wollte mich damit nicht zufrieden geben», erzählt die Koblenzerin. «Es war dann eine spontane Entscheidung, das Abitur in Angriff zu nehmen.» In einem Alter, in dem andere Mütter ihre pubertierenden Kinder vom Gymnasium abholen, hat Anette Metz selbst wieder die Schulbank gedrückt. An den beiden Kollegs und Abendgymnasien in Rheinland-Pfalz in Koblenz und Mainz haben zu diesem Schuljahr wieder je rund 100 bis 130 Schüler mit den Oberstufenkursen begonnen.

In drei Jahren könnten sie die Hochschulreife in der Tasche haben – wie Metz bereits seit Ende des vergangenen Schuljahres als eine der ältesten Abiturientinnen des Jahrgangs. Nach dem Realschulabschluss auf einer kaufmännischen Wirtschaftsschule hatte sie zunächst rund zehn Jahre als Sekretärin in der Geschäftsleitung einer Orgelbaufirma gearbeitet. Als der Betrieb Konkurs ging, nahm sie einen Halbtags-Job an – auch, um sich besser um ihren schulpflichtigen Sohn kümmern zu können. «Meine beruflichen Ambitionen stellte ich erstmal zurück», sagt Metz über diese Zeit. Seit 1996 arbeitet die 49-Jährige wieder ganztags in der Justizverwaltung.

«Das, was ich dort beruflich erreichen konnte, habe ich erreicht», betont sie. «Mit dem Abitur will ich jetzt noch mal ganz neue Dinge in Angriff nehmen.» Für sie käme etwa ein Jura-, Psychologie oder Wirtschaftsstudium infrage – allerdings an einer Fernuni, denn ihren Beruf möchte Metz nebenher weiter ausüben. Lernen und Arbeiten parallel, darin hat die Alleinerziehende inzwischen Übung. Denn auch während der Zeit an der Abendschule hat sie ihren Vollzeit-Job behalten. Das bedeutet: Nach einem Tag im Büro am Abend von 17.30 bis 20.45 Uhr oder gar 21.30 Uhr Oberstufenstoff büffeln.

«Am Anfang war das eine Umstellung, als es am Schluss auf die Prüfungen zuging arger Stress», berichtet sie. «Mit Freizeit ist in den drei Jahren nicht mehr viel drin, dessen muss man sich bewusst sein.» Wie schon in der Schulzeit als Jugendliche lag ihr Deutsch am meisten, Mathematik nicht so. Abendschüler haben zudem noch die Fächer Englisch, Französisch, Geschichte, Biologie und Ethik. War es denn manchmal seltsam, mit Leuten in einer Klasse zu sitzen, die teils deutlich jünger sind? Schließlich sind die meisten Abendschüler zwischen 20 und 30 Jahre alt. «Manchmal habe ich mich schon gefragt, was mache ich eigentlich hier», sagt Metz lachend. Sogar das Lehrpersonal sei in der Regel jünger gewesen als sie. «Durch meine jugendlichen Mitschüler bin ich aber auch viel lockerer geworden.»

Es komme regelmäßig vor, dass auch «ältere Semester» ihr Abitur nachholen wollen, sagt der Leiter des Mainzer Ketteler Kollegs und Abendgymnasiums, Rolf-Jürgen Renard. «Darunter etwa Frührentner, die mit Ende 50 Abitur machen und danach studieren.» Allerdings seien es Einzelfälle, rund 90 Prozent der Schüler seien jünger als 30 Jahre. Dies ist auch am Staatlichen Kolleg in Koblenz so. «Aber wir hatten auch mal eine 53-jährige Abiturientin. Sie hat im Anschluss studiert», sagt die stellvertretende Schulleiterin Sylvia Große. Ältere Schüler brächten meist einen großen Erfahrungsschatz mit – «dies ist oft gut für die Gruppe und sogar von Vorteil für die Jüngeren», sagt die Mathe- und Chemielehrerin.

Bereut habe sie ihre Entscheidung nie, betont Anette Metz. «Ich hatte den Rückhalt von meinem 22 Jahre alten Sohn. Der hat gesagt, Du schaffst das.» Sie würde es jedem raten, sich auch als «Spätberufener» noch weiterzubilden. «Es gibt so viele Möglichkeiten.» Gerade für Mütter, die ihre berufliche Karriere für die Kindererziehung hintenan gestellt hätten, sei der zweite Bildungsweg eine gute Chance für einen beruflichen Neustart, wenn der Nachwuchs aus dem Haus ist.