Im Frühstudium vor dem Abi Uniluft schnuppern

Mainz (dpa) – Im Hörsaal zwischen den anderen Informatikstudenten fällt Christoph Burchert nicht auf. Dass er eigentlich noch zur Schule geht und gar kein «richtiger» Student ist, behält der Elftklässler lieber für sich.

«Ich versuche mich hier so normal wie möglich zu verhalten», sagt er und lacht. Der 17-Jährige ist an der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität als Frühstudent eingeschrieben und inzwischen schon im dritten Semester. Während Christoph den Ausführungen des Professors lauscht, sitzen seine Klassenkameraden im Schulunterricht.

Das Angebot richtet sich an Schüler ab der zehnten Klasse, die schon vor dem Abitur «Uniluft schnuppern» möchten, erklärt Franz Rothlauf, Professor für Wirtschaftsinformatik und Koordinator des seit 2004 bestehenden Frühstudiums. Er ist überzeugt, Schülern mit dem Programm eine wichtige Orientierungshilfe zu geben.

Die Jugendlichen sähen Schule plötzlich unter einem ganz anderen Blickwinkel: «Sie realisieren dann erst richtig, wofür sie das Abitur eigentlich brauchen.» Langfristig hofft Rothlauf darauf, Schulen der Region enger an die Universität anzubinden und einen Informationsaustausch zu fördern.

Am Mainzer Gutenberg-Gymnasium funktioniert dieser Austausch bereits wunderbar, freut sich Informatiklehrer Volker Levigion. Der Frühstudent unterstütze ihn im Unterricht und erkläre seinen Mitschülern, dass es in der Informatik nicht nur ums Programmieren gehe. Seine Schule bescheinigte Christoph eine besondere Begabung und genehmigte ihm, auch während des laufenden Schulunterrichts Univeranstaltungen zu belegen.

Zwei Vorlesungen besucht Christoph in diesem Semester pro Woche. Dass er dafür vom regulären Unterricht befreit wird, ärgere einige seiner Mitschüler, glaubt der Elfklässler. Seine Freunde profitierten allerdings von seinen Erfahrungen. «Die wissen dann auch schon, wie der Hase an der Uni läuft», sagt der Schüler mit den längeren braunen Haaren und dem Kinnbart. Viele Jugendliche ließen alles einfach auf sich zukommen. Das ist seiner Meinung nach die falsche Einstellung: «Man muss auch irgendwann mal den ersten Schritt machen und etwas Neues ausprobieren.»

Die Leistungsnachweise der Veranstaltungen kann sich Christoph für sein späteres reguläres Studium anrechnen lassen, erklärt Rothlauf. Werde eine Klausur nicht bestanden, habe das keine negativen Auswirkungen. «Der Spaß an der Sache steht im Vordergrund.» Besucht werden könnten Vorlesungen und Übungen in jedem beliebigen Fach. In diesem Semester haben sich an der Mainzer Universität nach Angaben des Studierendensekretariats fünf Schüler zum Frühstudium eingeschrieben. Insgesamt werde das Angebot damit von 22 Jungen und Mädchen wahrgenommen.

Überfordert fühle er sich an der Universität nicht, sagt Christoph. Allerdings sei viel Selbstmanagement nötig, da er meist eine 50-Stunden-Woche habe. Neben Schule und Uni arbeitet er in der EDV-Abteilung eines Großkonzerns und ehrenamtlich fürs Deutsche Rote Kreuz. Und seine Freundin möchte der 17-Jährige natürlich auch so oft wie möglich sehen. Die in Kürze anstehende Informatikklausur in der Schule ist da noch das geringste Problem: «Lernen brauch ich dafür nicht.»

Meist entschieden sich besonders leistungsstarke Schüler für die Doppelbelastung, sagt Rothlauf. Ihre Klausurergebnisse in den Uni-Übungen lägen dann meist ebenfalls im oberen Drittel. Christoph schrieb in seiner ersten Klausur eine Zwei Minus. «Bei einem Schnitt von 3,3», bemerkt er stolz.

Sein Wunsch, nach dem Abitur Informatik zu studieren, steht für den Schüler seit langem fest. «Ich programmiere schon seit der Grundschule», erklärt er. Das Frühstudium habe ihn in seinem Vorhaben bestärkt, so dass er den Beginn des richtigen Studiums jetzt kaum mehr abwarten kann: «Die letzten zwei Jahre Schule sitze ich nur noch ab.»