«Mythen der Hausaufgaben»: Die populären Irrtümer

Kassel (dpa) – Sie ärgern Schüler, überfordern Eltern und belasten Lehrer – und dennoch sind Hausaufgaben aus dem Alltag deutscher Schulen nicht mehr wegzudenken.

Lehrer wollen mit ihnen den Stoff festigen, Eltern helfen ihren Kindern dabei und die Schüler versprechen immer wieder, sich bei den «Hausis» Mühe geben zu wollen. Doch sind viele Hausaufgaben, sofort erledigt und von den Eltern streng beäugt, wirklich hilfreich? Die Forschung hat die «Mythen der Hausaufgaben» entschlüsselt. Ein Kasseler Professor benennt ein paar populäre Irrtümer.

«Die gängige Hausaufgabenpraxis ist oft problematisch», sagt Frank Lipowsky. Der Professor sieht die Heimarbeit zwar als wichtiges Instrument. «Aber Lehrer verschenken oft das Potenzial der Hausarbeit, Schüler nehmen sich selbst ihre Chancen und Eltern wollen helfen und schaden eher. Es wird viel falsch gemacht.» Was, haben Lipowsky und Kollegen an anderen Universitäten untersucht. Ergebnis: Mit ein paar Tricks lassen sich mit Hausaufgaben erstaunliche Ergebnisse erzielen.

«Für Lehrer gilt &Lieber oft als viel&», fasst Lipowsky die Ergebnisse von Studien zusammen. Viel Hausarbeiten bedeuteten nicht viel Lernerfolg, im Gegenteil: «Manchmal schadet das sogar und nimmt den Kindern die Motivation. Viel besser ist es, kleinere Aufgaben mitzugeben, dann aber regelmäßig.» Und die müssten dann gut vorbereitet und mit dem Unterricht verbunden sein. «Die Methode &Was wir in der Stunde nicht schaffen, macht Ihr zu Hause& bringt nichts. Die Aufgaben müssen durchdacht sein, um wirklich einen Effekt zu erzielen.»

Doch was ist durchdacht? «Zu oft werden einfach ein paar Aufgaben aus dem Ärmel geschüttelt. Das hat etwas von Beschäftigungstherapie», sagt der Professor. Doch bei Hausaufgaben komme es auf «Denken statt Drill» an: «Einfach nur 20 Aufgaben nach dem Schema F rechnen, bringt wenig. Hausaufgaben sollten zum Nachdenken anregen.» Etwa, in dem der Schüler selbst wählt: «Eine Aufgabe als Pflicht und drei, von der er eine auswählen muss. Das zwingt die Schüler, sich mit dem Stoff zu beschäftigen». Gut seien auch vorbereitende Hausaufgaben: Selbst recherchieren, selbst ein Experiment machen, selbst Stoff erarbeiten. Und Lehrer müssten den Schülern eine Rückmeldung zu den Aufgaben geben und nicht nur kontrollieren, ob die Hausaufgaben gemacht wurden oder nicht.

Doch die Kinder machen es sich oft selbst schwer: «Es ist eine Binsenweisheit: Ein aufgeräumter Arbeitsplatz und konzentriertes Arbeiten sind wichtige Bedingungen für eine erfolgreiche Arbeit. Dennoch werden die Aufgaben oft über Stunden gezogen, weil jede Ablenkung genutzt wird.» Mit den Hausaufgaben solle ein Kind nicht nur den Stoff vertiefen, sondern auch eigenständiges Arbeiten lernen. «Das ist viel wichtiger, weil es sich auch auf andere Fächer und das ganze Leben auswirkt.» Und Abwechselung sollte her: «Nach Englisch gleich Französisch? Das geht nicht gut.»

Fehler machen aber auch die Eltern, sagt Lipowsky: «Jeder glaubt, es sei besonders gut, mit dem Sohn oder der Tochter gemeinsam die Hausaufgaben zu machen. Aber genau das schadet eher.» Wenn die Mutter über die Schulter blicke oder der Vater genau das Ergebnis vorschreibe, werde das Lernen behindert. «Das untergräbt die Motivation und macht nur nervös. Die Hausaufgaben sollte der Schüler allein machen.» Das heiße jedoch nicht, dass sich die Eltern aus der Verantwortung verabschieden sollten: «Im Gegenteil: Die Eltern sollten das häusliche Arbeiten ihrer Kinder im Blick haben und für eine störungsfreie Atmosphäre sorgen.»

«Teilt er sich die Zeit richtig ein? Hat er einen ordentlichen Arbeitsplatz und die nötigen Materialien? Hat er Ruhe und versucht sich zu konzentrieren? Elterliche Unterstützung bedeutet, Hilfe anzubieten für den Fall, dass das Kind nicht weiterkommt.» Es sei «Hilfe on demand» statt Einmischung und Kontrolle gefragt: «Die Eltern sollten ihren Kindern das Gefühl geben, ansprechbar zu sein. Aber bitte keine direkte Hilfe!» Einfach die Antwort auf die Frage nach Rechenergebnis, Tierart oder Hauptstadt helfe nicht. «Eltern sollten ihre Kinder animieren und ihnen Tipps geben, wie sie ihre Aufgaben alleine lösen können.»

Und auf einen weiteren Mythos macht Lipowsky aufmerksam: «Lehrer klagen immer wieder, die Eltern würden sich aus der Erziehung zurückziehen und sich nicht für die Hausaufgaben ihrer Kinder interessieren.» Auch das wurde erforscht. «Doch das ist ein Mythos. Die meisten Kinder erhalten von ihren Eltern Unterstützung und sind nicht auf sich allein gestellt.»