Seltene Handarbeit: Ein Gambenbauer in der Prignitz

Mansfeld (dpa) – Wenn Henner Harders früher ein Musikgeschäft betrat, hatte er statt einer Geldbörse das Maßband bei sich. «Ich bin in den Laden gegangen und habe den E-Bass ausgemessen», sagt der heute 46-Jährige.

Denn als Schüler konnte er sich das Instrument noch nicht leisten. Weil Harders aber Jazz spielte, brauchte er einen E- Bass – und baute sich kurzerhand selbst einen. Was als Hobby begann, hat der im nordbrandenburgischen Mansfeld (Prignitz) lebende Harders längst zu seinem Beruf gemacht.

Er ist ein international gefragter Instrumentenbauer und stellt in Handarbeit Gamben, also Kniegeigen, her. Damit gehört Harders zu einer seltenen Spezies. Die im Jahr 1992 in der Schweiz gegründete Viola da gamba-Gesellschaft listet nur 21 Gambenbauer in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf. Harders erzählt, dass es neben ihm in Brandenburg noch zwei weitere Gambenbauer in Potsdam gebe – und dass er das Instrument auch selber spielen könne. Seine Werkstatt verlassen Barock- und Renaissance-Gamben, aber auch Geigen und Celli.

Die Werkstatt in Mansfeld ist hell, freundlich und voll von Holz, Hobeln, Handsägen und anderen Werkzeugen. Mittendrin steht Harders: Ein schlanker Mann mit kurzen Haaren, Ringen im Ohr, dunkler Arbeitshose und buntem Batik-T-Shirt. Ausgebildet wurde er in England, dann arbeitete er in London und mehreren deutschen Bundesländern, bevor er sich in der Prignitz niederließ. Harders wirkt ruhig und gelassen – so, wie man sich vielleicht jemanden vorstellt, der fernab von städtischem Trubel in einer Art «Meister- Eder-Werkstatt» einem Handwerk nachgeht, umgeben von seiner Familie.

Denn da ist noch der zweijährige Hermann mit seinen Geschwistern Anton (4) und Ida (1). «Die Kinder hobeln schon», sagt Harders. Und tatsächlich steht Hermann an einer Arbeitsplatte und greift unbeirrt zum Werkzeug. Ähnlich dürfte es vor Jahrzehnten auch seinem Vater Henner ergangen sein, dessen Vater auch schon Instrumente baute. «Ich bin damit aufgewachsen», erzählt Harders.

«Ich baue vier bis fünf Instrumente im Jahr», sagt er. 150 Stunden könne es dauern, bis eine Gambe fertig ist. Die aus den USA, Australien und europäischen Ländern stammenden Auftraggeber müssten dafür, je nach Exemplar, bis zu 10 000 Euro bezahlen. «Das ist aber auch eine Investition fürs Leben», betont er. «Eine Gambe kann 300 Jahre alt werden.»

Die Holzart mache den Klang, sagt der Instrumentenbauer: «Ahorn klingt schön. Kirsche hat mehr Charakter. Walnuss klingt vielleicht ein bisschen wärmer.» Harders geht mit Hobeln, Handsägen und Messern zu Werke, besitzt Formen und Schablonen und kocht den Lack.

Manch ein Auftraggeber möchte einen Kopf als Schmuckelement an seiner Gambe, für den Harders Ehefrau Susanne Küster zuständig ist. Sie schnitzt filigrane Löwenhäupter, Eulenspiegel sowie Köpfe nach historischen Vorbildern. «Jemand wünschte sich einmal einen Frauenkopf, der wie seine Tochter aussieht», sagt Küster.

Wenn er seine Werke den Auftraggebern nicht persönlich überbringen kann, zimmert er Kisten und schickt die Gamben in Flugzeugen auf die Reise, wie Harders erzählt. Hin und wieder holen Auftraggeber ihre Instrumente in der Werkstatt ab. «Was ich besonders schön finde ist, wenn ein Musiker kommt und ich höre, wie er auf der von mir gebauten Gambe spielt.» Dann kann es sein, dass Harders sich mit einem Instrument dazusetzt, über die Saiten streicht und ein Duett entsteht.