Kritik an “totem Vorratswissen”

Die bayerischen Lehrer plädieren für eine grundlegende Reform des Unterrichts an Gymnasien.

Derzeit werde den Schüler zu viel totes Vorratswissen in zu kurzer Zeit zugemutet, sagte der Präsident des Lehrerverbands BLLV, Klaus Wenzel, am Dienstag in München bei der Vorstellung des Konzeptes Lernplan plus. Der bestehende Lehrplan verursache Prüfungsdruck und Dauerstress bei Kindern wie Eltern. Den Schülern müsse daher beigebracht werden, sinnvoll zu lernen, zu üben und zu verstehen, statt ihnen schnell Wissen einzupauken, betonte Wenzel. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) kritisierte die BLLV-Vorschläge.

Das neue Konzept soll die Schulen in drei Schritten reformieren. Zunächst müsse der Lehrstoff um 50 Prozent gekürzt werden, sagte der BLLV-Präsident. Das gelte insbesondere für die Sachfächer und die Naturwissenschaften. Denn derzeit verleite der enorme Umfang des Lehrplans die Lehrer dazu, Inhalte vorzuexerzieren und den Unterricht auf Wissensabfragen zu reduzieren.

Gleichzeitig forderten die Lehrer, dass auch die Anzahl der gelehrten Fächer verringert wird. Statt in einem straffen 45-Minuten-Rhythmus sollen die Lerninhalte verstärkt durch fächerübergreifendes Arbeiten miteinander vernetzt werden.

Der dritte Eckpunkt des Konzeptes sei schließlich, die Schulen nach entwicklungspsychologischen Erkenntnissen auszurichten, sagte Wenzel. Schüler in jungen Jahren sind meist nicht dazu in der Lage, abstrakt zu denken, sagte er. Der Unterricht müsse sich deshalb am Alter und den Lebenswelten der Jugendlichen orientieren.

Wenzel forderte das Kultusministerium auf, den Lernplan plus zu prüfen. Nach BLLV-Einschätzung sind Schüler nur durch intensives Verstehen und Üben für den Unterrichtsstoff zu begeistern. Freude am Lernen wiederum sei die Voraussetzung für ein leistungs- und konkurrenzfähiges Gymnasium, sagte Wenzel.

Kultusminister nicht überzeugt

Nach Ansicht von Kultusminister Spaenle wird der BLLV-Vorschlag zur Neugestaltung des Lehrplans dem gymnasialen Bildungsauftrag nicht gerecht. Wer den Lehrplan des Gymnasiums um 50 Prozent kürzen will, verbaut unseren Schülern den Weg zur allgemeinen Hochschulreife, argumentierte der CSU-Politiker. Bereits im aktuellen Lehrplan würden über den Unterricht hinausgehende Kompetenzen vermittelt und fächerverbindendes Lernen umgesetzt.

Im Herbst 2011 habe das Kultusministerium über 15.000 Lehrer befragt. Demnach müssten bis 2015 lediglich einige Lehrplaninhalte moderat überarbeitet, in den Kernfächern der Mittelstufe Intensivierungsstunden und individuelle Förderungen angeboten sowie Ganztagsklassen ausgebaut werden, fügte Spaenle an.

Die SPD-Landtagsfraktion begrüßt den Vorstoß des BLLV. Es ist eine gute Sache, wenn sich die Fachleute um den Lehrplan kümmern und nicht immer nur vom ‘Entrümpeln’ reden, sagte SPD-Bildungsexpertin Karin Pranghofer. Außerdem forderte Pranghofer den schnellen Ausbau von Ganztagsschulen: Lernen braucht Zeit, und diese Zeit haben die Schüler in einer Ganztagsschule.