Frauen in der Vorlesung unter sich

Andrea Rogoznica hat sich schon immer für Technik und Naturwissenschaften interessiert.

Bereits vor zehn Jahren fing sie deshalb ein Umweltwissenschaftsstudium an, das sie jedoch nach kurzer Zeit abbrach. Dort waren fast ausschließlich Männer und als Frau wurde ich mit meinen Fragen immer belächelt, erinnert sich die 31-Jährige. Heute studiert sie mit Informatik an der Hochschule in Bremen erneut ein typisches Männerfach. Ihre Scheu, Fragen zu stellen, hat sie jedoch verloren, denn nun ist sie in ihrem Studium nur noch eine Frau von vielen: Sie studiert in einem Studiengang speziell für Frauen.

Deutschlandweit gibt es insgesamt fünf solcher Angebote in den Fächern Informatik, Wirtschaft und Wirtschaftsingenieurswesen – drei davon sind in Norddeutschland: an der Hochschule Bremen, der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven und der Fachhochschule Stralsund. Ob im Norden oder an den Hochschulen in Furtwangen und Berlin – eines haben alle Frauenstudiengänge gemeinsam: Sie wurden gegründet, um den Frauenanteil in typischen Männerdomänen zu erhöhen. So waren im Studienjahr 2010 im Bauingenieurwesen lediglich 27 Prozent der Studienanfänger Frauen, im Fach Informatik machten sie nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nur 20 Prozent aus.

Von Zickenalarm keine Spur

Als Vorreiter der Frauenstudiengänge in Deutschland gilt die Jade-Hochschule in Wilhelmshaven, die den dortigen Frauenstudiengang schon 1997 gründete. Doch auch in Bremen hat man bereits zehn Jahre Erfahrungen gesammelt und zieht eine positive Zwischenbilanz. Die Studentinnen trauen sich hier viel mehr zu, und das fördern wir, sagt Axel Viereck, der den Studiengang als Informatikprofessor seit der Gründung begleitet. Probleme, die 30 Studienplätze pro Jahrgang zu besetzen, kennt die Hochschule nicht. Es gibt immer mehr Bewerber als Studienplätze, sagt Studiengangsleiterin Gerlinde Schreiber.

Die Gründe für die Wahl eines Frauenstudiengangs sind bei den Studentinnen recht ähnlich. Man fühlt sich wohler ohne Männer, denn man kann besser Fragen stellen, ohne Angst haben zu müssen, sich zu blamieren, sagt die 20-Jährige Seyma Ciftci. Ihre Erstsemesterkollegin Cansu Bogatekin ergänzt: Später im Job ist es nicht mehr schlimm, sich gegen Männer behaupten zu müssen, denn dann haben wir das gleiche Wissen.

Trotz der vielen Frauen ist von Zickenalarm – zumindest in Bremen – nichts zu spüren. Wir haben hier ein super Lernklima, erzählt Martha Glabischewski, die im dritten Semester des Frauenstudiengangs studiert. Das wird von den Lehrenden bestätigt. Wir beobachten sehr häufig, dass bessere Studentinnen den schwächeren helfen, sagt Schreiber. Unter Männern sei das in dieser Form eher seltener.

Mit Frauenpower punkten

In Bremen können die Studentinnen vom dritten Semester an gemischte Kurse besuchen. Doch selbst wenn sie sich dagegen entschieden, lernten sie sich spätestens während des Auslandssemesters sowie der Praxisphase in einem Unternehmen gegen Männer zu behaupten, sagt Viereck. Für Studentin Seyma Ciftci steht fest, dass sie und ihre Kommilitoninnen sich mit viel Frauenpower beweisen werden.

Bei Unternehmen trifft diese Frauenpower auf positive Resonanz. Zahlreiche Firmen wollen ihren Frauenanteil erhöhen, und wir können ihnen diese Frauen liefern, sagt Viereck. Daher werden unsere Absolventinnen gerne genommen. Das bestätigt auch Ulrike Schleier, die den Frauenstudiengang an der Jade-Hochschule leitet. Da es in vielen Fachbereichen kaum Frauen gebe, richteten sich zahlreiche Firmen gezielt an die Jade-Hochschule.

Unsere Studentinnen im fünften oder sechsten Semester sind so gut wie die in den gemischten Studiengängen, betont Viereck. Der Unterschied liege darin, dass Frauen anders lernten und sie mit einem anderen Kenntnisstand anfingen. Und Schreiber betont: Vorkenntnisse sind im Frauenstudiengang nicht unbedingt erforderlich, lediglich Wille und Motivation zählen.