Plagiatsvorwürfe gegen Annette Schavan – noch viele Fragen offen

In ihrer Doktorarbeit hat sich Bildungsministerin Annette Schavan mit Fragen der Moral und der Notwendigkeit einer individuellen Gewissensbildung beschäftigt.

Umso spektakulärer war vor knapp einem Jahr die Nachricht, dass sie Teile ihrer Arbeit nicht selbst verfasst bzw. die Quellen, auf der ihre Arbeit beruhen, zum Teil nicht kenntlich gemacht haben soll. Annette Schavan bestritt die Vorwürfe vehement, die an die Öffentlichkeit gebrachten Vorwürfe klangen eher verwirrend, trotzdem blieb der Verdacht an ihr haften. Hat sie oder hat sie nicht? Kann es tatsächlich sein, dass ausgerechnet die Bildungsministerin ihre eigenen hehren Vorstellungen selbst unterwandert? Diese Frage wurde in den vergangenen Monaten immer wieder diskutiert. Jetzt hat die Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, an der Annette Schavan promoviert hat, ein offizielles Prüfverfahren eröffnet. Die Vorwürfe haben damit eine neue Stufe erreicht.

Plagiaten und Plagiatsvorwürfen auf der Spur

Seit vor drei Jahren dem ehemalige Bundesverteidigungsminister Friedrich Freiherr zu Guttenberg der Doktortitel aberkannt wurde, ist die Frage nach der Redlichkeit beim Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gerückt. Ohnehin bestehende Vorbehalte gegen Politiker, gegen intransparente Abläufe und Verfahrensweisen und Protektionismus, aber auch gegen häufig nur vermeintliche Bildung fanden auf diese Weise Nahrung und Bestätigung. Seit diesem Zeitpunkt sind die Plagiatsjäger unter uns, die es sich zur Aufgabe machen, akademische Arbeiten auf den Prüfstand zu stellen und sie mit Blick auf mögliche – zufällige oder bewusst in Kauf genommene – wissenschaftliche Unzulänglichkeit zu überprüfen. An der Spitze der Bewegung steht die Plattform VroniBlog, in der von unterschiedlicher Seite Berichte eingestellt werden, in der die Doktorarbeit prominenter Politiker auf wissenschaftlichen Eigen-Gehalt überprüft werden. So auch im Falle von Annette Schavan, bei der die Plagiatsvorwürfe zunächst anonym im Netz auftauchten und dann auf VroniBlog verdichtet wurden.

Bis heute sind die Plagiatsvorwürfe, mit denen Annette Schavan sich konfrontiert sieht, nicht eindeutig geklärt. Klar scheint zu sein, dass ihr in ihrer Doktorarbeit eine Reihe formaler Fehler beim Zitieren unterlaufen sind. Ob es sich bei diesen Unzulänglichkeiten um bewusste Plagiate handelt oder ob sie auf schlampige Arbeitsweise, möglicherweise auch – wie von Frau Schavan wiederholt angeführt – auf Unwissenheit zurückzuführen sind, darüber streiten sich in diesem Fall die sonst nur sprichwörtlichen Gelehrten.

Kann es sein, dass Annette Schavan sich im Falle Theodor zu Guttenbergs im Namen der Wissenschaft schämte selbst eine Plagiatsleiche im Keller hat? Viele Beobachter haben daran zumindest Zweifel. Wissenschaftlich umstritten ist insbesondere der Vorwurf des Eigenplagiats, nach dem Annette Schavan sozusagen von sich selbst abgeschrieben haben soll, da zeitgleich zur Veröffentlichung ihrer Dissertation auch ein thematisch verwandter Aufsatz von ihr in einem Sammelband erschienen ist.

Persönliche Konsequenzen und (bildungs-)politische Folgen

Gut , dass die Universität Düsseldorf jetzt endlich ein offizielles Prüfverfahren eröffnet hat, um die Plagiatsvorwürfe zu klären. Annette Schavan hat angekündigt, für ihren guten Ruf – und um ihren Job – zu kämpfen. Mögliche Vorwürfe können jetzt konkretisiert und auf Stichhaltigkeit überprüft werden. Die Politikerin selbst, aber auch die am Promotionsverfahren beteiligten Gutachter können offiziell Stellung beziehen. Umso wichtiger, da längst nicht nur die Dissertation der Bildungsministerin, sondern der Ruf der Wissenschaft insgesamt in Frage steht.

An der Notwendigkeit seriös verfasster wissenschaftlicher Arbeiten kann kein Zweifel bestehen. Eine wissenschaftliche Arbeit, die mit einem Doktortitel honoriert wird, muss sich Plagiatsvorwürfen stellen und auch genauer Überprüfung stand halten. Je nach Ausgang des Falles Schavan muss man in der Folge in der Öffentlichkeit aber auch die Frage nach den Motiven der Plagiatsjäger deutlicher gestellt werden.