Tauchgang zur Risssuche an Offshore-Anlagen

Ausgerüstet mit einem neuartigen Wirbelstromsensor taucht Ausbilder Rudolf Kolbusch am Unterwassertechnikum der Universität Hannover in ein vier Meter tiefes Wasserbecken hinab.

Der Lichtstrahl seiner Helmlampe beleuchtet Stahlkonstruktionen auf dem Grund. Das sind typische Bauteile mit Schweißnähten, wie sie an Windkraftanlagen von Offshore-Parks vorkommen, sagt Gunnar Morgenstern von der Deutschen Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung.

Diese Schweißnähte könnten durch die Gezeiten, Strömungen oder Schiffsunfälle rissig oder brüchig werden. Mit dem Wirbelstromsensor ließen sich die Bauteile unter Wasser auf defekte Stellen hin prüfen, erläutert er. Doch das will gelernt sein. Deshalb läuft derzeit in Hannover die bundesweit erste derartige Ausbildung für Tauchspezialisten zur Unterwasserprüfung.

Neben Kolbusch vom Ingenieurbüro Küste-Weser-Ems wird diese von der Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung und dem Unterwassertechnikum bestritten. An dem sechswöchigen Kurs nähmen 13 Berufstaucher teil, sagt Kolbusch. Sie lernten, mit modernster Technik unter Wasser umzugehen.

Im Unterwassertechnikum werde unter Idealbedingungen trainiert. Die Teilnehmer seien aber allesamt Berufstaucher und würden sich mit den widrigen Bedingungen unter Wasser auskennen. Die Spezialisten sollen künftig nicht nur Windkraftanlagen auf Unterwasserschäden hin prüfen, auch an Flusswehren oder Unterwasserpipelines ist ihr Können gefragt.

Hoher Bedarf an Tauchern für Sicherheitsstandards

Der Bedarf an Unterwasserprüfern sei enorm und wächst mit jedem neuen Windrad auf See, sagt Kolbusch. Betreiber von Windkraftanlagen auf hoher See wie die Firma BARD müssten hohe Sicherheitsstandards gewährleisten. Sie hätten sich deshalb für diesen Lehrgang eingesetzt.

Derweil üben die angehenden Tauchspezialisten die unterschiedlichen Prüfungsverfahren, um defekte Schweißnähte zu erkennen. Neben einer Sichtprüfung mit einer Lupe gebe es das Magnetpulververfahren, erläutert Kolbusch. Dabei markiere ein fluoreszierendes Pulver, das sich unter dem Einfluss von Magnetfeldern an den kritischen Stellen sammele, Risse im Stahl.

Eine weitere Technik ist die sogenannte Wirbelstromprüfung, die seit 20 Jahren am Institut für Werkstoffkunde an der Universität Hannover erforscht wird. Hier erzeugt ein Sensor, der über die zu prüfenden Schweißnähte gezogen wird, ein Magnetfeld, das auf die Oberfläche der entsprechenden Stahlkonstruktion geleitet wird und dort einen Wirbelstrom entstehen lässt, wie Thomas Hassel vom Institut für Werkstoffkunde in Hannover erklärt.

Der Strom baue ebenfalls ein Magnetfeld auf. Wenn es starke Unterschiede zwischen den beiden Magnetfeldern gibt, deutet dies auf Risse oder Brüche im Material hin, erläutert Hassel.

Weiterer Lehrgang zum Unterwasserschweißen

Die vom Sensor erfassten Daten würden bei diesem Verfahren direkt über ein Kabel zu einem zweiten Prüfer über Wasser geleitet, sagt Kolbusch. Der könne anhand von Diagrammen am Computer feststellen, ob Risse im Material seien, wo sie lägen und wie lang sie seien. Es müsse genaue Absprachen zwischen dem Taucher und dem Spezialisten über Wasser geben, damit die Messdaten nicht fehlerhaft interpretiert würden.

Als defekt ausgemachte Schweißnähte würden nach der Prüfung auch an Ort und Stelle repariert, sagt Kolbusch. Immerhin wiegen die Stützanlagen von Windrädern zwischen 620 und 1.300 Tonnen. Deshalb ist es unmöglich, sie einfach abzubauen und Fehler an Land zu reparieren.

Bei den Unterwasserschweißern bestehe ein ebenso hoher Bedarf wie bei den Prüfern, sagt Kolbusch. Ende Februar werde deshalb am Unterwassertechnikum der bundesweit einzige zivile Lehrgang im Unterwasserschweißen ausgerichtet. Bislang wurden Unterwasserschweißer hauptsächlich bei der Bundeswehr ausgebildet.